Strafrechtler Klaus Bernsmann sieht in den Vorwürfen gegen Wulff einen „Klassiker der Vorteilsannahme“, wobei eine konkrete Gegenleistung gar nicht erforderlich sei, um einen Anfangsverdacht zu rechtfertigen. Er sieht einen möglichen „feudalistischen Respekt“ vor dem Bundespräsidenten als Grund für die Zurückhaltung der Staatsanwaltschaften.

Und Verfassungsrechtler von Arnim meint, dass Wulff im Falle eines Rücktritts aus den derzeit bekannten Gründen keinen „Ehrensold“ beziehen dürfe, weil es sich dann um einen Rücktritt aus „persönlichen Gründen“ handelte. Eine Apanage für den Bundespräsidenten gibt es nämlich explizit nur nach Ende der Amtszeit oder bei einem Rücktritt aus gesundheitlichen oder politischen Gründen. Aber:

Die Entscheidung über den Ehrensold liege im Fall eines Rücktritts bei der Bundesregierung: „Unter den gegebenen Umständen kann Wulff den Ehrensold nur bekommen, wenn man dem Gesetz Gewalt antut.“

Seufz, dann werden wir die Kohle wohl doch raushauen.

Eine Hausdurchsuchung im Bundespräsidialamt, ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal lesen muss, auch wenn es nur um das alte Büro von Glaeseker ging. Dazu der FDP-Bundestagsabgeordnete Erwin Lotter:

Staatsanwaltschaft und Polizei haben Anlass, Deutschlands erste Adresse zu durchsuchen, der Hausherr aber bleibt wieder einmal sprachlos. Man fragt sich, ob der prominente Mieter in Bellevue noch irgendetwas vom realen Leben draußen mitbekommt oder sich schon im Panikraum des Schlosses verschanzt hat.

Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens von den Grünen will mehr Homöopathie fördern. Bleibt nur zu hoffen, dass sich Hannelore Kraft die Worte ihres Parteikollegen Lauterbach zu Herzen nimmt, und diesen Hokuspokus nicht unterstützt.

Dazu passend hatte die ZEIT gerade einen lesenswerten Artikel über die Auseinandersetzung des Professors für Alternativmedizin, Edzard Ernst, mit dem Homöopathie-Gläubigen Prinz Charles. Darin Ernst:

Wir haben in der Medizin Fortschritte gemacht, als wir vor 150 Jahren aufgehört haben, uns an Anekdoten zu orientieren.

Rudolf Augstein hat eine schöne Lobrede auf das Grundgesetz verfasst:

Welche Aufgabe erfüllt heute der Verfassungsschutz? Er schützt keineswegs die Verfassung. Er schützt die (vor)herrschenden Verhältnisse. Und die haben mit dem Geist der Verfassung immer weniger zu tun: Eigentum verpflichtet in Deutschland zu gar nichts, das letzte Mal wurden Produktionsmittel verstaatlicht, als Twix noch Raider hieß, und der Sinn der Erbschaftsteuer besteht hierzulande vor allem darin, die Ansammlung von Riesenvermögen möglichst nicht zu stören. Das Grundgesetz ist in Wahrheit viel linker, als es der Bundesinnenminister gerne zugeben würde.

Christian Wulff darf man neuerdings sogar einen Lügner nennen. So hatte nämlich in einem Interview ein Grünen-Politiker den designierten Ex-Bundespräsidenten tituliert und sich drei Anzeigen wegen Verunglimpfung des Bundespräsidenten eingefangen. Eine Oberstaatsanwältin in Hannover hält die Bezeichnung aber für von der Meinungsfreiheit gedeckt und sieht keinen Anlass für Ermittlungen.

Schön: In einem Kindergarten in Hessisch Oldendorf wird es keine Bibelgeschichten mehr geben, das hatte die Stadtverwaltung der kommunalen Einrichtung untersagt. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, deswegen stellt sich die Frage, warum die nun empörten Eltern ihre Kinder nicht ohnehin in einen konfessionellen Kindergarten schicken – wenn ihnen die religiöse Indoktrinierung ihrer Kinder so am Herzen liegt.

Im nordrhein-westfälischen Werl ist der der Linken-Ortsverband mitsamt Fraktion zu den Piraten übergetreten. Damit gibt es im Stadtrat nun zwei Piraten-Abgeordnete.

„Wir wollen soziale Politik machen, aber ohne Denkverbote“, begründet der 40-jährige Fischer seinen Wechsel. Zu dogmatisch, ideologisch und autoritär sei die Linkspartei gewesen. Er und seine sechs Mitstreiter seien hingegen „Freigeister“.

Nie wieder Twitter-Revolution? Erst sah es so aus, denn Twitter hat angekündigt, bestimmte Tweets in einigen Ländern anhand der dort geltenden Gesetze zu sperren, sprich: zu zensieren. Nun gibt Twitter aber auf Nachfrage gleich selbst bekannt, wie man die Sperrung umgehen kann. Der Standort der Nutzer wird nämlich nicht fest anhand ihrer IP-Adresse ermittelt, sondern der Information in den Kontoeinstellungen entnommen. Ein chinesischer Nutzer könnte als Deutschland also Standort angeben,  und wäre dann von der chinesischen Zensur nicht betroffen – dafür aber von der deutschen.

Religiotie im Endstadium: US-Republikaner Rick Santorum hält die Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung für ein Gottesgeschenk, und auch hier ist das mit der Moral wieder mal so eine Sache. Denn in den Kommentaren ergänzt jemand, dass Santorum seine eigene Frau mit seiner Abtreibungspolitik bei einer Operation vor einigen Jahren getötet hätte – aber da war das natürlich was ganz anderes.

Vorratsdatenspeicherung ist wie Homöopathie: Bringt empirisch nix, aber jeder Nutzer meint, dass es bestimmt schon mal geholfen hat. Nun hat das Max-Planck-Institut die Überflüssigkeit der Intimsphärenspeicherung bestätigt und für seine Studie viele Interviews mit Polizisten geführt:

Diese sprachen sich fast alle für die Vorratsdatenspeicherung aus und argumentierten mit Einzelfällen aus ihrer Praxis.

Update: Der CCC hat die ihm zugespielte Studie (PDF) auch veröffentlicht.

Ich habe gerade gelernt, wie man das akustische Pendant zur Visualisierung nennt: Sonifikation. Und ein sehr schönes Beispiel dafür scheint mir #tweetscapes zu sein, das die deutschsprachigen Tweets sonifiziert (und auch visualisiert). Wegen eines DSL-Problems bei mir leider nur ruckelig, aber die Beschreibung liest sich spannend.

Da aber gerade „Unser Star für Baku“ das Thema Nummer 1 für Twitter-Deutschland zu sein scheint, verpasse ich wohl momentan auch nicht so viel.

Wenigstens in Usbekistan wird dem moralischen Verfall nicht tatenlos zugesehen: Auf den Basaren des Landes darf Damen- und Herren-Unterwäsche nicht mehr offen verkauft werden. Aber wie meistens, wenn von Moral die Rede ist, war eigentlich Doppelmoral gemeint:

Die Filiale von Victoria Secret, eines US-Herstellers von Damenunterwäsche, in Taschkent ist von dieser Restriktion allerdings nicht betroffen. Dort wird das im Vergleich zu den Basaren um ein vielfaches teueres Sortiment in den Schaufenstern der Stadt angepriesen.

Reichsinnenminister Friedrich meint, die Überwachung Der Linken sei schon richtig, weil sie sich nicht hinreichend von der DDR distanziere. Und die taz schafft das Argument elegant aus der Welt:

Spontan fällt einem da die Frage ein, wer in der CSU sich eigentlich schon ausreichend von all den Schlesiern distanziert hat, die mit beiden Füßen noch in den deutschen Grenzen von 1937 stehen.