Manchmal sehe ich eine BILD am Kiosk und schaffe es mir einzureden, dass auch andere dieses Blatt eher als Satire sehen. Dass es niemanden gibt, der das wirklich ernst nimmt. Und dass die meisten Leser echt nur den Sportteil überfliegen. Das sind schöne, unbeschwerte Momente. Und dann kommt das BILD-Blog und zeigt, wie die Leute so drauf sind, die sich dort tatsächlich ihre Meinung bilden. Teilweise dürfte das sogar strafrechtlich relevant sein.

Es gibt so Tage, da guckt man besser nicht in den Briefkasten – heute zum Beispiel. Da musste ich nämlich eine kostenlose BILD-Sonderausgabe zur Wahl entsorgen. Und das traf mich diesmal leider völlig unvorbereitet, beim letzten Mal war ich wenigstens vorgewarnt. Scheint sich aber gerechnet zu haben, und so erwarte ich die nächste zur erfolgreichen Übernahme der Spiegel-Hauptstadtredaktion.

Die Otto Brenner Stiftung hat eine interessante Studie mit dem Titel „Bild“ und Wulff – Ziemlich beste Partner veröffentlicht, die die Beziehung der beiden von der anfänglichen Hofberichterstattung bis zum Ende beleuchtet. Die Autoren liefern darin zum Beispiel auch eine plausible Erklärung für den dubiosen Mailbox-Anruf:

Die Vorstellung, ein offensichtlich in der Bredouille sitzender Christian Wulff sei in der Lage, das größte Medium des Landes mit einem verzweifelten Anruf unter Druck zu setzen, hat etwas Absurdes. Sehr viel plausibler ist die Annahme, dass Wulff zu Recht davon ausging, dass zwischen ihm und „Bild“ keine Beziehung zwischen Politiker und Journalist, sondern vielmehr eine seit vielen Jahren erprobte Geschäftsbeziehung zur Produktion von Aufmerksamkeit […] zu beiderseitigem Vorteil bestünde.

Bild und Handelsblatt haben ein Bild bei Facebook geklaut und als „Klickhure“ missbraucht – übrigens ein schöner Branchen-Slang für die klickträchtigen Bilderstrecken. Und während das Handelsblatt wohl angemessen reagiert und sich beim Fotografen gemeldet hat, wurde das Bild von Bild einfach klammheimlich gelöscht:

Ob Bild.de wirklich glaubt, mit einer solchen Dreistigkeit durchkommen zu können? Na ja, dann werde ich den Damen und Herren wohl ganz offiziell ihre Urheberrechtsverletzung mitteilen müssen, inklusive der dazugehörigen Rechnung. Schließlich habe ich ja einen Screenshot der Seite gemacht. Und wenn das auch nicht hilft, geht’s halt doch noch zum Anwalt. Dafür wird Springer bestimmt das größte Verständnis haben, so wie dessen Gazetten immer wieder die vermaledeiten „Internetschnorrer“ geißeln, oder?

Wer die BILD nicht mal geschenkt will, muss vor dem 23.6. handeln. Da feiert das Springer-Blatt nämlich seinen 60. Geburtstag und will alle Haushalte mit einer Gratis-Ausgabe beglücken – „inklusive Werbeverweigerer“. Ein Muster-Anschreiben, um dem Verlag die Zustellung zu untersagen, hat Andreas Schwartmann  dankenswerterweise auch gleich mitveröffentlicht.

Auch seine Anwaltskollegen Udo Vetter und Arno Lampmann nehmen sich der Gratis-Zeitung an, in der eine ganzseitige Anzeige immerhin 4 Mio. Euro kostet. Ob brutto oder netto weiß BILD übrigens selbst nicht so genau: denn die Bruttopreise in den Mediadaten verstehen sich zzgl. MwSt. wink

Dass die Nachricht aus dem Saarland die Bundespräsidenten-Affäre(n) ein wenig aus den Top-News verdrängt, heißt natürlich nicht, dass nicht weiter gebuddelt würde. Aktuell: First-Lady Bettina Wulff lässt sich mitunter kostenlos von Mode-Labels ausstatten. Da sie dies wohl auch in der Steuerklärung angegeben hat, ist es wohl mehr eine Stilfrage als ein richtiger Aufreger (und wir erfahren auch, dass Merkel solche Angebote ablehnt). Problematisch wird es aber, wenn sich der Bundespräsident dann auch als Werbefigur hergibt:

„Dieses Label trug sie bereits bei der Hochzeit von Fürst Albert und Fürstin Charlène in Monaco“, kommentierte Wulff ein Ensemble seiner Frau vor Journalisten.

Und auch aus der Zeit als Ministerpräsident gibt es weiteren Ärger: VW-Aktionäre fordern 1,8 Milliarden Euro von Wulff, weil er beim Übernahmekampf mit Porsche seine Pflichten als Aufsichtsrat verletzt haben soll. Konkret wirft ihm eine Gruppe von rund 70 Banken, Versicherungen und Fonds vor, die Übernahmepläne von Porsche bereits vor der offiziellen Bekanntmachung gekannt, die Aktionäre aber nicht informiert zu haben. Selbst hat er sich wohl auch als „Vorstandsvorsitzender von Niedersachsen“ bezeichnet. Und Fefe weist noch auf einen verschwörungstheoretischen Aspekt an der Sache hin: Das ist ein handfestes ökonomisches Motiv, sich um eine Aufhebung von Wulffs Immunität als Bundespräsident zu bemühen.

Derweil hat die BILD dem Wulff noch ein Transkript der Mailbox-Nachricht als Gedächtnisstütze gesandt:

Heute hat die Chefredaktion dem Bundespräsidenten eine Abschrift des Wortlauts seines Anrufes zur Verfügung gestellt, damit er sich bei Aussagen darüber nicht nur auf seine Erinnerung stützen muss.

 

Gestern hat unser angehender Ex-Bundespräsident zur besten Sendezeit ARD und ZDF ein exklusives Interview gegeben. Viel Neues gab es da wieder nicht zu hören: im Wesentlichen hält er sich für das Opfer und von der bösen Presse verfolgt. Interessanterweise behauptet er aber auch, Diekmanns AB nur vollgewulfft zu haben, um eine Verschiebung der Veröffentlichung zu erreichen, bis er selbst wieder im Land ist. Es sei nicht darum gegangen, die Veröffentlichung zu verhindern. Das sieht die BILD anders.

Auch interessant: Netzpolitik.org wurde vorab ein mp3 des Interviews zugespielt, so dass man dort schon vor der Ausstrahlung ein Transkript lesen konnte. Martin Haase hat das Interview sprachlich analysiert, dazu passt auch sein Vortrag auf dem 28C3 zum Politiker-Nebelsprech. Und die Süddeutsche hat das Presse-Echo zum Interview gesichtet.

Update: Die BILD bittet Wulff nun um Erlaubnis, im Sinne der angekündigten Transparenz den Wortlaut der AB-Nachricht zu veröffentlichen. Hier der Brief.

Update: Zumindest hat Wulff sein Verständnis von Transparenz schnell klargestellt und die Veröffentlichung bereits abgelehnt. Auch sein Brief bei Bild.

Hier kocht der Chef noch selber: Wulff wollte BILD-Chefredakteur Kai Diekmann telefonisch überzeugen, die Kredit-Story nicht zu veröffentlichen. Er hatte aber nur den Anrufbeantworter dran, und da fielen dann Begriffe wie „Krieg“, „Rubikon überschritten“ und „endgültiger Bruch“. Auch mit Strafanzeige gegen Journalisten soll der Bundespräsident gedroht haben. Vermutlich wegen Majestätsbeleidigung, denn inhaltlich hat sich ja wohl bisher alles wie berichtet bestätigt.

Im Zuge der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen erfreuen sich die Damen der Nationalmannschaft derzeit großer Aufmerksamkeit – was ich ihnen von Herzen gönne. Unerfreulich finde ich hingegen, dass ich eben auch einen BILD-Spot mit einigen Spielerinnen sehen musste. Und für die Print-Version der Kampagne lassen sich neben Bundestrainerin Silvia Neid sogar sechs von ihnen vor den BILD-Karren spannen: Lena Goeßling, Alexandra Popp, Fatmire Bajramaj, Kim Kulig, Simone Laudehr und Inka Grings.

Ganz so, als ob Judith Holofernes nie gezeigt hätte, wie man mit den Avancen der BILD-Agentur Jung von Matt umgehen sollte, reihen sich die Fußballerinnen nun in eine unrühmliche Liste von BILD-Botschaftern ein:

Alice Schwarzer, Philipp Lahm, Nazan Eckes, Armin Rhode, Mario Barth, Til Schweiger, Udo Lindenberg, Thomas Gottschalk, Sido, Gregor Gysi, Veronika Ferres, Carmen Nebel, Ruth Moschner, Paul Panzer, Atze Schröder, David Garrett, H.P. Baxxter, Fabian Hambüchen

Die Aufzählung ist sicherlich unvollständig, aber auch so sind da zumindest für mich schon ein paar echte Enttäuschungen dabei. Wen habe ich denn noch vergessen?