In den letzten Tagen bin nur dazu gekommen, mir das eine oder andere Lesezeichen zu setzen und bin dann von der Edathy-Geschichte etwas überrollt worden. Einen Aspekt will ich hier dann aber doch noch notieren, weil ich mir da eine gewisse Schadenfreude nicht verkneifen kann: Sebastian Edathy stolperte über den Gummiparagraph, den er selbst maßgeblich mit zu verantworten hat. Kommt ja selten genug vor, dass Politiker mal ihre eigene Medizin kosten.

Ansonsten ist die ganze Angelegenheit natürlich skandalös: Da schließt die Staatsanwaltschaft aufgrund der Bestellung bei uns legaler Bilder messerscharf, dass Edathy womöglich auch Interesse an härterem Material haben und in dessen Besitz sein könnte. Eine reine Mutmaßung! Als Indiz dafür muss dann sein konspiratives Vorgehen reichen:

Für die Downloads des verdächtigen Materials habe Edathy verschiedene IP- und Mail-Adressen benutzt, darunter sei auch eine Multiuser-Adresse des Bundestags gewesen.

Verschiedene IP- und Mail-Adressen? Da gehe ich mich am besten gleich mal selbst anzeigen. Auch meine IP-Adresse wechselt täglich, und wann ich über die von mir im Internet verwandten Mail-Adressen den Überblick verloren habe, weiß ich schon gar nicht mehr. Es kommt aber noch schlimmer: Im Gegensatz zu Edathy – der seine Bilder ganz konspirativ mit der eigenen Kreditkarte gezahlt hat – nutze ich auch noch bevorzugt anonyme Zahlungsmethoden. Bisher dachte ich allerdings, dass das sinnvolle und normale Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre im Internet sind. Falsch gedacht. *schuhezubind*

Erfreulich ist noch, dass Hans-Peter „Supergrundrecht“ Friedrich zurückgeteten wurde, weil er als damaliger Innenminister dem Gabriel in den Koalitionsverhandlungen gesteckt hat, dass gegen Edathy ermittelt wird. Der konnte seinen Mund dann offensichtlich auch nicht halten, und wer weiß, wer da noch alles auf der Strecke bleibt. Die „strategischen Porpcornreserven“ (Fefe) sind gefüllt. Ob ich die wohl in U-Haft mitnehmen darf?

IM Friedrich hat sich in Washington erklären lassen, wie er die US-Totalüberwachung hierzulande rechtfertigen soll. Und gleich einem frisch im Motivationsseminar aufgehetzten Versicherungsvertreter schießt er dabei direkt übers Ziel hinaus und fabuliert etwas vom „edlen Zweck“ der Terrorbekämpfung, weswegen das schon so in Ordnung sei. Ist es natürlich nicht, wie Udo Vetter ausführlich erklärt. Sehr schön:

Prism als Aufgabe in einer juristischen Zwischenprüfung wäre der Traum der meisten Jura-Studenten. Die Aufgabe würde die Durchfaller-Rate gegen null drücken. Die schon reichlich gedehnten Schubladen unseres Wertekanons sind nämlich nicht einmal annähernd groß genug, um Prism und Tempora hinein zu sortieren.

Zumindest ist IM Friedrich in seinem religiösen Eifer konsequent: Nach der Bevorzugung christlicher Bewerber in seinem Ministerium, will er nun auch bei den syrischen Flüchtlingen Christen bevorzugen. Und um seine Botschaft unmissverständlich klar zu machen, ermuntert er Polizisten zum Bibellesen. Mir wäre ja eine regelmäßige Lektüre des Grundgesetzes lieber.

Im Bundesinnenministerium werden christliche Bewerber bevorzugt. Was noch beschönigend formuliert ist, denn tatsächlich scheint es das einzige Kriterium zu sein. Ein paar erfolgreiche Bewerber:

Der Erste hat im Assessment-Center den Sprachtest mit einer Vier minus vermasselt und somit die zwingende Einstellungsvoraussetzung “gute Englisch-Kenntnisse” gerissen. Den Job bekam er trotzdem. Der Zweite schaffte eine Drei bis Vier in Englisch und hatte im Vorauswahlverfahren unter 470 Bewerbern eher durchschnittlich abgeschnitten – er wurde eingestellt. Eine Dritte kam in Englisch auf ein Ausreichend, ihre Punktzahl im Vorauswahlverfahren war eher bescheiden. Auch sie ist jetzt dabei.

Mit dem Vorauswahlverfahren war übrigens das Bundesverwaltungsamt betraut, das anhand festgelegter Kriterien 80 der insgesamt 670 Bewerber für das Assessment-Center bestimmt hatte. Das Ministerium hat die Liste dann über Nacht noch schnell neu zusammengestellt.

Hat sich unser Innenminister eigentlich schon mal als Religiot geoutet? Nun, es ist Wahljahr und die Konkurrenz schläft nicht, da wird es höchste Zeit: Und so erklärt sich Friedrich als Kämpfer für ein christliches Europa. Dabei hat er ja sogar recht:

„Ob meine Mitmenschen meine Werte teilen, ist für das Zusammenleben einer Gesellschaft von großer Wichtigkeit“, erklärte er. „Gemeinsame Werte sind eine Vertrauensgrundlage. Wer meine Werte teilt, der ist für mich berechenbar.“

Allerdings sollte ein Innenminister dabei an das Grundgesetz denken, und nicht an bronzezeitliche Geschichtensammlungen. Das ist nämlich das genaue Gegenteil von berechenbar und macht mir Angst. (via Atheist Media Blog)

Reichsinnenminister Friedrich meint, die Überwachung Der Linken sei schon richtig, weil sie sich nicht hinreichend von der DDR distanziere. Und die taz schafft das Argument elegant aus der Welt:

Spontan fällt einem da die Frage ein, wer in der CSU sich eigentlich schon ausreichend von all den Schlesiern distanziert hat, die mit beiden Füßen noch in den deutschen Grenzen von 1937 stehen.

Hans-Peter Friedrich wirft seinen Kritikern und Befürwortern der Anonymität im Internet „intellektuelle Plattheit“ vor, was Thomas Stadler treffend kommentiert. In Anbetracht der Reden zum 60-jährigen Bestehen des BKA, sollte sich dies aber nicht nur der Innenminister zu Herzen nehmen:

Der freiheitlich-demokratische Staat ist vom Spannungsverhältnis zwischen Staat und Bürger geprägt und muss eigentlich dafür sorgen, dass die öffentliche Gewalt so transparent wie möglich agiert, während er dem Bürger als dem Träger der Grundrechte die größtmögliche Intransparenz zubilligen muss.

Die Militarisierung Deutschlands schreitet weiter voran. Ist der letzte Bundespräsident zumindest angeblich noch wegen der Kritik an seiner Äußerung zum Einsatz der Bundeswehr aus wirtschaftlichen Interessen zurückgetreten, darf der neue Kriegsminister nun dasselbe fordern. Nicht, dass Thomas de Maizière damit nicht die Wirklichkeit beschreiben würde – was ja löblich ist. Dass diese Realität nach Grundgesetz und Völkerrecht eine andere sein müsste, das ist das Problem.

Ähnlich phantasielos wiederholt auch der neue Innenminister Hans-Peter Friedrich das ewiggestrige Mantra der Schwarzen Pest nach dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Wegen Terror natürlich, wissen schon. Wie die Bundeswehr da helfen soll, nachdem das BVerfG das Abschießen von Passagierflugzeugen ja verboten hat, verrät er allerdings nicht. Sollen Panzer deutsche Weihnachtsmärkte schützen oder die Infanterie mit Maschinengewehren einfach Jagd auf „seltsam aussehende Menschen“ machen? Da erscheinen mir andere Motive für einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren deutlich plausibler. Stichwort: Vertrag von Lissabon und die Niederschlagung von Aufständen.

Aktuelles aus dem Referat Neusprech, diesmal aus dem Bundesinnenministerium. Hans-Peter Friedrich will lieber von „Mindestdatenspeicherung“ sprechen, weil:

Dieser Begriff ist besser, denn bei Vorratsdatenspeicherung wird man merkwürdig angeschaut.

Die Gefahr sah er dann beim Wiederkäuen der Phrase vom Internet als rechtsfreiem Raum offenbar nicht mehr.

Mein Favorit ist übrigens „Intimsphärenspeicherung“. Ich weiß nur leider nicht mehr, wo ich das gelesen habe.