Deutschland fordert den Residenten der US-Geheimdienste auf, das Land zu verlassen. Das wäre in jedem anderen Land der Welt eine lääängst überfällige diplomatische Standardprozedur. Nur sind wir nicht jedes andere Land, wie der Regierungssprecher gestern noch überzeugend klar gestellt hat:

Seibert machte deutlich, dass die USA vermutlich alle von ihnen gewünschten Informationen auf direktem Wege von der Bundesregierung bekommen könnten.

Da ist natürlich jede Form der Reaktion eine kleine Sensation.

Dass die NSA auch den internationalen Zahlungsverkehr abschnorchelt, geht sogar dem GCHQ zu weit geht:

Das Sammeln, Speichern und Teilen der „politisch sensiblen“ Daten sei ein tiefer Eingriff, schließlich handle es sich um „Massendaten voller persönlicher Informationen“, von denen „viele nicht unsere Ziele betreffen“.

Und diese rührende Sorge um die Rechte der Bürger hat sicher überhaupt nichts mit dem Finanzplatz London zu tun.

Es gibt Dinge, die passieren so außerordentlich selten, dass es dafür nicht mal einen Begriff gibt. Und es gibt LOVEINT. So nennt man es zum Beispiel, wenn NSA-Mitarbeiter ihre Befugnisse ausnutzen, um die ehemalige oder vielleicht zukünftige Partnerin abzuhören oder auszuspionieren. Passiert aber trotzdem nur ganz selten und wird auch ganz hart geahndet, müssen wir uns also auch nicht merken. LOVEINT beendet. (via >b’s weblog)

Die Briten haben offiziell keinen Bock mehr, sowas wie einen Rechtsstaat zu simulieren: Erst wird der Lebensgefährte von Greenwald 9 Stunden am Flughafen festgehalten, befragt und bedroht. Dann erfahren wir, dass der GCHQ beim Guardian aufgelaufen ist und die Vernichtung der Snowden-Festplatten verlangt hat.

Derweil spricht bei uns Hans Magnus Enzensberger Klartext:

In jeder Verfassung der Welt steht ja ein Recht auf Privatsphäre, Unverletzlichkeit der Wohnung und so weiter… das sind ja lange Passagen. Das ist abgeschafft! Das heißt, wir befinden uns in postdemokratischen Zuständen.

Die Merkel-Bande hat einen neuen Superhelden, denn Pofalla erklärt die NSA-Affäre für beendet. Weil nämlich sowohl NSA als auch GCHQ ihm schriftlich versichert haben, dass unsere Grundrechte bei ihnen in den allerbesten Händen sind. Schriftlich! Dieser Teufelskerl! Dem Internet ist das enorme Potential dieses Mannes natürlich auch nicht entgangen, und so finden sich schon viele weitere Heldentaten auf Pofalla beendet Dinge.

Es ist immer ein Vergnügen, Profis bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Zum Beispiel den Spezialexperten vom BND, der massenhaft Metadaten abschnorchelt und an die NSA durchreicht. Selbstverständlich können wir davon ausgehen, dass dabei alles nach Recht und Gesetz abläuft und Daten von Deutschen nicht weitergegeben werden, richtig? Richtig! Telefonnummern mit der Vorwahl +49 und Mails mit der Endung .de werden vorher einfach ausgefiltert. facepalm

BND und Verfassungsschutz nutzen eine NSA-Schnüffelsoftware namens XKeyscore, und damit wurden in einem Monat 180 der 500 Millionen deutschen NSA-Datensätze gesammelt. Da gibt’s dann auch ein Fleißsternchen aus Fort Meade:

„Der BND hat daran gearbeitet, die deutsche Regierung so zu beeinflussen, dass sie Datenschutzgesetze auf lange Sicht laxer auslegt, um größere Möglichkeiten für den Austausch von Geheimdienst-Informationen zu schaffen“, notierten NSA-Mitarbeiter im Januar. Im Lauf des Jahres 2012 habe der Partner sogar „Risiken in Kauf genommen, um US-Informationsbedürfnisse zu befriedigen“. In Afghanistan sei der BND in Sachen Informationsbeschaffung sogar „fleißigster Partner“.

IM Friedrich hat sich in Washington erklären lassen, wie er die US-Totalüberwachung hierzulande rechtfertigen soll. Und gleich einem frisch im Motivationsseminar aufgehetzten Versicherungsvertreter schießt er dabei direkt übers Ziel hinaus und fabuliert etwas vom „edlen Zweck“ der Terrorbekämpfung, weswegen das schon so in Ordnung sei. Ist es natürlich nicht, wie Udo Vetter ausführlich erklärt. Sehr schön:

Prism als Aufgabe in einer juristischen Zwischenprüfung wäre der Traum der meisten Jura-Studenten. Die Aufgabe würde die Durchfaller-Rate gegen null drücken. Die schon reichlich gedehnten Schubladen unseres Wertekanons sind nämlich nicht einmal annähernd groß genug, um Prism und Tempora hinein zu sortieren.