Hmm, vielleicht doch noch mal Piraten? Jörg Tauss meint:

Weshalb ich dennoch weiter (noch) diese Piraten  unterstütze? Gewiss nicht wegen deren Führungspersonal. Sondern weil ich die Befürchtung hege, dass Wahlniederlagen der Piratenpartei den öffentlich- medialen Eindruck verstärken, Netzpolitik sei überflüssig und Bürgerrechte hätten trotz PRISM, Vorratsdatenspeicherung und Präventionsstaat eben keine Konjunktur oder seien gar bei den etablierten Bundestagsparteien gut aufgehoben. Dieser Schaden wäre zu groß und man sollte ihn wegen einiger heutiger Führungsfiguren(noch) nicht in Kauf nehmen.

Was so ein paar Piraten im Landtag ausmachen. Die neue Koalition will Schleswig-Holstein zum Vorbild für aktive Informationsfreiheit machen. Keine Vorratsdatenspeicherung, keine Staatstrojaner und keine Netzsperren, dafür mehr Bürgerbeteiligung.

Vielleicht sollten sie sich dazu noch eine schöne Idee aus Spanien abschauen: Im Baskenland gehört die von den Bürgern bezahlte Software demnächst tatsächlich den Bürgern.

Da sich die Piraten ja schwer damit tun, sich politisch im Links-Rechts-Spektrum einzuordnen, hilft der bayerischen Innenminister Hermann aus: Die Piraten sind „extrem linksalternativ“ und wollen „die demokratischen Spielregeln aushöhlen“. Und Joachim Herrmann hat sich ja spätestens im Zusammenhang mit dem Bayern-Trojaner als lupenreiner Demokrat bekannt gemacht. Offenbar haben die Piraten tatsächlich Phase 3 erreicht.

Im nordrhein-westfälischen Werl ist der der Linken-Ortsverband mitsamt Fraktion zu den Piraten übergetreten. Damit gibt es im Stadtrat nun zwei Piraten-Abgeordnete.

„Wir wollen soziale Politik machen, aber ohne Denkverbote“, begründet der 40-jährige Fischer seinen Wechsel. Zu dogmatisch, ideologisch und autoritär sei die Linkspartei gewesen. Er und seine sechs Mitstreiter seien hingegen „Freigeister“.

Autsch! Die Piraten-Fraktion im Berliner Stadtparlament hat 252 Bewerber via E-Mail über das weitere Procedere des Auswahlverfahrens informiert und dabei die Empfänger-Adressen in Kopie (CC) gesetzt, statt die hierbei angebrachte Blindkopie (BCC) zu nutzen. So haben alle Bewerber erfahren, wer sich sonst noch so beworben hat, und ein Empfänger hat die Adressen auch gleich genutzt, um seine Werbebotschaft an den Mann zu bringen. So viel Transparenz darf dann doch nicht sein.

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Ich gehe davon aus, dass das zu großen Teilen ein statistischer Fehler ist, weil sich „nur“ 6% der Befragten im ZDF-Politbarometer als „Anhänger“ der Piraten erklärt haben und diese Gruppe dann wegen der geringen Anzahl von Befragten nicht mehr repräsentativ ist. Dennoch: Fast die Hälfte der Piraten-Anhänger soll sich Online-Durchsuchungen ausgesprochen haben, getoppt nur noch von der Union – und das ist schon bitter.

Übrigens, auch die FDP hat das Phänomen kürzlich kennengelernt, allerdings andersherum.

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Puh, da sind wir ja noch mal mit dem Schrecken davon gekommen. Was zunächst aussah wie eine völlig unverhältnismäßige Hausdurchsuchung mit Abschaltung der Server der Piratenpartei („Servergate“), entpuppt sich nun doch noch als Rettung aus größter Gefahr. Man stelle sich vor: Hacker planten Angriff auf AKW-Betreiber.

Man muss das betonen, weil auch das Foto bei Spiegel Online etwas anderes suggeriert: Es geht um den Angriff auf einen AKW-Betreiber, genau genommen auf dessen Webseite. Nicht um einen Angriff auf Atomkraftwerke! Atomkraftwerke sind nicht mit dem Internet verbunden. Aber vermutlich kann man bei dem Thema momentan am einfachsten Zustimmung für ein solches Vorgehen in der Bevölkerung erwarten. Dann darf man natürlich auch nicht erwähnen, dass der Angriff bereits im April stattgefunden hat.

Um die Ermittlungen französischer Behörden wegen eines bereits erfolgten Angriffs auf eine Internetseite mit der Beschlagnahmung der Server einer deutschen Partei als verhältnismäßig in Einklang zu bringen, die nach dem Grundgesetz einen besonderen Schutz genießt, zwei Tage vor einer Wahl steht und selbst nicht einmal Ziel der Ermittlungen ist – dafür muss man wohl lange Jura studiert haben. Dass man das deswegen trotzdem nicht unbedingt verstehen muss, zeigen die bloggenden Anwälte Udo Vetter und Thomas Stadler.

Und um diesen Skandal mit keinem Wort in der Tagesschau zu erwähnen, muss man wohl ganz viel journalistische Erfahrung gesammelt und ein feines Gespür für die Unterscheidung von wichtigen und unwichtigen Themen entwickelt haben. Man stelle sich mal vor, die Server einer der fünf etablierten Parteien wären beschlagnahmt worden.

Update: Schützenhilfe der australischen Piraten in Form eines offenen Briefes an den deutschen Botschafter.

ebook.piratenpartei.140pxEin brandaktuelles Buch ist mit dem Titel „Die Piratenpartei. Entstehung, Forderungen und Perspektiven der Bewegung.“ im Contumax-Verlag in der Reihe „Netzbürger“ erschienen. Neben dem Inhalt ist aber auch die Vertriebsstruktur sehr piratig:

Das Konzept, diese Inhalte einerseits zeitgemäß als kostenlosen PDF-Download anzubieten und andererseits den haptischen Bedienerkomfort des gedruckten Buchs anzupreisen, experimentiert mit den neuen Parametern, die die Medienwirtschaft heute bestimmen. Das mag gut gehen, oder nicht. Zu spannend ist die Zeit, zu vielfältig die Möglichkeiten, als dass das davon abhalten könnte.

Download- und Bestellmöglichkeit finden sich auf der Seite des Verlages.

bundestagswahl2009.487pxMit mehr als 845.000 Stimmen hat die Piratenpartei rund 2% der Zweitstimmen erhalten und ist somit die stärkste Kraft unter den sonstigen Parteien geworden. Ein tolles Ergebnis, wie ich finde. Am Wahlabend hatten die Piraten sogar einen eigenen Balken in den Hochrechnungen der ARD – leider nur online und an diesem Abend.

Übrigens haben erst die letzten ausgezählten Bezirke in der Nacht den eher psychologisch bedeutenden Sprung von 1,9% auf 2,0% gebracht. Nun ließe sich sich unter dem Motto „Politik 2.0“ arbeiten… wink

Zur Einordnung: Das Ergebnis der Europawahl wurde mehr als verdoppelt, die absolute Stimmenanzahl hat sich sogar fast vervierfacht. Dabei sind die Menschen bei der vielfach weniger ernst genommen Europawahl eher bereit, ihre Stimme einer kleinen Partei zu geben. Außerdem übertreffen 2% das erste Ergebnis der Grünen bei einer Bundestagswahl, die 1980 nur 1,5% erreichten. Und die Grünen saßen zu diesem Zeitpunkt bereits im Landtag von Baden-Württemberg und mit der Bremer Grünen Liste im dortigen Senat.

Dass es gleich beim ersten Versuch für den Einzug in den Bundestag reicht, hat wohl niemand ernsthaft erwartet. Nun muss sich zeigen, inwieweit der Schuss vor den Bug der etablierten Parteien wahrgenommen wurde und sie sich den Themen der Piratenpartei annehmen. Da ich diesbezüglich aber eher pessimistisch bin, heißt es, weiter kämpfen und Schwarz-Gelb vier Jahre lang aktiv Mitgliederwerbung und Wahlkampf für die Piraten machen lassen.

wahlergebnis.pankow.158pxUnd damit es für die OSZE nicht allzu langweilig wird, hat man sich auch ein paar kleine Pannen einfallen lassen: Drei Stimmen fehlen anscheinend in Rhynern, Westfalen, und in Berlin wurden im Wahlbezirk 817 (Pankow) die Piratenstimmen wohl irrtümlich der ödp zugeschlagen.

Update: Die drei Stimmen aus Rhynern waren eigentlich zwölf und wurden fälschlicherweise den Grünen zugerechnet. Und auf der Mailingliste der Piraten werden insgesamt 10 Berliner Wahlbezirke genannt, in denen die Piratenpartei keine, die ödp jedoch ungewöhnlich viele Stimmen hat. Aber so näherungsweise wird das Wahlergebnis den viel zitierten Wählerwillen wohl schon wiedergeben, oder etwa nicht?

2% sind besser als das erste Ergebnis der Grünen bei einer Bundestagswahl, die 1980 nur 1,5% erreichten. Und die Grünen saßen zu diesem Zeitpunkt bereits im Landtag von Baden-Württemberg und mit der Bremer Grünen Liste im dortigen Senat.