Thomas de Maizière klärt auf:

Es ist nicht Aufgabe Karlsruhes, ständig dem Gesetzgeber in Sachen Sicherheit in den Arm zu fallen.

Gut, dass er das mal erläutert hat. Ich dachte ja immer, genau das wäre die Aufgabe des BVerfG. Die Grundrechte zu schützen und Politikern in die Parade zu fahren, die das Grundgesetz mit Füßen treten.

Aber der Thomas ist im Gegensatz zu mir Jurist – der muss es wissen.

In den letzten Tagen bin nur dazu gekommen, mir das eine oder andere Lesezeichen zu setzen und bin dann von der Edathy-Geschichte etwas überrollt worden. Einen Aspekt will ich hier dann aber doch noch notieren, weil ich mir da eine gewisse Schadenfreude nicht verkneifen kann: Sebastian Edathy stolperte über den Gummiparagraph, den er selbst maßgeblich mit zu verantworten hat. Kommt ja selten genug vor, dass Politiker mal ihre eigene Medizin kosten.

Ansonsten ist die ganze Angelegenheit natürlich skandalös: Da schließt die Staatsanwaltschaft aufgrund der Bestellung bei uns legaler Bilder messerscharf, dass Edathy womöglich auch Interesse an härterem Material haben und in dessen Besitz sein könnte. Eine reine Mutmaßung! Als Indiz dafür muss dann sein konspiratives Vorgehen reichen:

Für die Downloads des verdächtigen Materials habe Edathy verschiedene IP- und Mail-Adressen benutzt, darunter sei auch eine Multiuser-Adresse des Bundestags gewesen.

Verschiedene IP- und Mail-Adressen? Da gehe ich mich am besten gleich mal selbst anzeigen. Auch meine IP-Adresse wechselt täglich, und wann ich über die von mir im Internet verwandten Mail-Adressen den Überblick verloren habe, weiß ich schon gar nicht mehr. Es kommt aber noch schlimmer: Im Gegensatz zu Edathy – der seine Bilder ganz konspirativ mit der eigenen Kreditkarte gezahlt hat – nutze ich auch noch bevorzugt anonyme Zahlungsmethoden. Bisher dachte ich allerdings, dass das sinnvolle und normale Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre im Internet sind. Falsch gedacht. *schuhezubind*

Erfreulich ist noch, dass Hans-Peter „Supergrundrecht“ Friedrich zurückgeteten wurde, weil er als damaliger Innenminister dem Gabriel in den Koalitionsverhandlungen gesteckt hat, dass gegen Edathy ermittelt wird. Der konnte seinen Mund dann offensichtlich auch nicht halten, und wer weiß, wer da noch alles auf der Strecke bleibt. Die „strategischen Porpcornreserven“ (Fefe) sind gefüllt. Ob ich die wohl in U-Haft mitnehmen darf?

Rechtsstaaten erkennt man ja unter anderem daran, dass man nicht nachträglich für Dinge bestraft werden kann, die zum Zeitpunkt der Tat noch gar nicht strafbar waren oder verjährt sind. Und in Bayern gehen die Uhren bekanntlich anders:

Trotzdem hat der neue bayerische Justizminister Winfried Bausback nun offenbart, dass er einen Gesetzentwurf erarbeiten ließ, der rückwirkend gelten und dafür sorgen soll, dass der Kunstsammler Cornelius G., bei dem die Staatsanwaltschaft Augsburg im Frühjahr 2012 1406 Kunstwerke und andere Dokumente beschlagnahmen ließ, einen Teil der Gemälde auch dann nicht zurückbekommt, wenn sie nach derzeitiger Rechtslage sein Eigentum sind.

Das ist doch mal ein gelungener Einstand für den Neuen!

Auch die Entnahme einer freiwilligen DNA-Probe kann unzulässig sein. Ein schriftliches Einverständnis reicht dafür nämlich nicht aus, die Behörden müssen statt dessen selbständig prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Klingt zu vernünftig, um wahr zu sein. In diesem Fall ging es allerdings nur um die Speicherung, und ich befürchte, dass das einer vorherigen Verwendung in einem Strafverfahren nicht unbedingt entgegen gestanden hätte.

Großartiger Artikel zum Thema Genitalverstümmelung: Das weibliche Geschlecht ist sakrosankt, das männliche disponibel.

Das, was eine Frau körperlich ausmacht, ist unantastbar. Aber das, was einen Mann körperlich ausmacht, darf zurechtgeschnitten werden. Das weibliche Geschlecht ist sakrosankt, das männliche disponibel. Juristisch ist Paragraf 226a nicht so schlimm; ihn wird das Bundesverfassungsgericht kassieren. Allerdings müssen wir überlegen, wie viele Botschaften dieser Art wir Männern und Jungen noch zumuten möchten.

Als ich heute Morgen noch im Halbschlaf mitbekam, dass die Polizei bei einer Frau aufgelaufen ist, die einen kritischen Tweet zu Beate Merk im Fall Mollath verfasst hatte, dachte ich zumindest an eine handfeste Beleidigung. Oder vielmehr an etwas, was man mit viel bösem Willen so verstehen kann. Statt dessen:

Wann Mollath frei kommt? Diese Frage könnte man Frau Merk am Mo. 10.06.2013 um 19. Uhr im Landgasthof Holfoding stellen

Mal eine Frage an die Älteren: hatten wir hier mal so was wie einen Rechtsstaat, oder war das schon immer Propaganda?

In der letzten Woche wurden die Wohn- und Redaktionsräume einer Journalistin durchsucht, der ihre Kinder zum Scherz die Ehrendoktorwürde einer klammen US-Kirche gekauft hatten. Darüber hat sie dann in ihrem Blog  berichtet, und sich somit auch gleich die Möglichkeit zum Missbrauch ihres Titels „Dr. h.c. of Ministry MDLC Institute (USA)“ weitgehend selbst genommen.

Nun beruhigt die zuständige Staatsanwaltschaft souverän die Kritiker, die hier mal wieder eine Unverhältnismäßigkeit befürchten: Die Hausdurchsuchungen dienen „auch der Entlastung der Verdächtigen“. Na dann ist ja alles gut, oder? Und es ist auch ein richtig gutes Gefühl zu wissen, wie intensiv in Deutschland offenbar nach entlastenden Beweisen gesucht wird.

In Großbritannien haben verdeckte Ermittler für ihre Legenden die Identitäten von toten Kindern gestohlen. So richtig mit System in etwa 80 Fällen. Und wieder einmal wird unschuldige Literatur missbraucht:

The technique of using dead children as aliases has remained classified intelligence for several decades, although it was fictionalised in Frederick Forsyth’s novel The Day of the Jackal. As a result, police have internally nicknamed the process of searching for suitable identities as the „jackal run“. One former undercover agent compared an operation on which he was deployed to the methods used by the Stasi.

(via @annalist)

Israel hat ja noch viel weniger mit einem Rechtsstaat gemein, als ich bisher dachte:

In Verwaltungshaft genommene Personen können zunächst für bis zu sechs Monate ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in staatlichem Gewahrsam gehalten werden. Nach Ablauf dieser Frist ist es möglich, beliebig oft neue Haftanordnungen auszustellen. Gegen Verwaltungshäftlinge ergeht weder Anklage noch werden sie vor Gericht gestellt. Vielmehr bleiben sie auf der Grundlage „geheimer Beweise“ inhaftiert, die nach Angaben der israelischen Militärbehörden aus Sicherheitsgründen nicht offengelegt werden können. Diese „geheimen Beweise“, die den Militärbehörden als Entscheidungsgrundlage für die Anordnung von Verwaltungshaft dienen, sind weder den Gefangenen noch ihrem Rechtsbeistand zugänglich, sodass Betroffene den Grund ihrer Festnahme nicht anfechten können.

Momentan befinden sich übrigens in israelischen Gefängnissen etwa 1600 palästinensische Gefangene im Hungerstreik.