Ihr habt ja auch gehört, dass rund 3,5 Millionen Wallonen, unter geradezu hinterhältiger Ausnutzung demokratischer Tricks, den Willen von mehr als 500 Millionen anderen EU-Bürgern brutal unterdrücken. Die singen ansonsten nämlich alle gemeinsam ein Loblied auf CETA. Zu Recht – schließlich wäre mit dessen Ablehnung ja auch das Ende der EU endgültig besiegelt.

Dabei fiel mir auf, dass ich gar nicht weiß, wie euphorisch genau der Jubel in den anderen Ländern eigentlich ist. Klar ist, dass bei uns die zumindest vorläufige Zustimmung nichts mit dem Mehrheitswillen der Bevölkerung zu tun hat. Aber wie ist das eigentlich in den anderen EU-Ländern?

Eine aktuelle europaweite Übersicht habe ich leider nicht gefunden. Nur die hier von November 2014 zu TTIP, nach der die Gegner nur in Deutschland, Österreich und Luxemburg in der Mehrheit waren. Gefühlt war das aber, bevor das Thema in den Medien mehr Aufmerksamkeit bekam. Und mit CETA wusste da kaum jemand was anzufangen, glaube ich. Wie hat sich das seitdem entwickelt?

Ich werde mal gucken, was ich noch so finde, und freue mich über sachdienliche Hinweise.

Update: Zumindest sank die Zustimmung laut einer hier zitierten EU-Umfrage von 10/2015 seitdem auf 53%. Die einzelnen Zahlen habe ich der mehrteiligen Untersuchung bisher noch nicht gefunden.

Europaweit

2.095 Regionen und Kommunen gegen TTIP/CETA. ttip-free-zones.eu, 10/2016

Deutschland

CETA: 18% Pro – 38% Contra. Ipsos, 8/2016.

Österreich

CETA: 29% Pro – 71% Contra. Gallup, 10/2016.

Das ist er, der Sargnagel für TTIP: in den bisher bekannten Texten kommen die Begriffe „Gleichberechtigung“,  „Geschlecht“ und „weiblich“ nicht ein einziges mal vor. Ende, finito, aus die Maus! Denn auch wenn „sie“ den Kampf gegen die Globalisierungs- und Kapitalismuskritiker gewonnen haben – eine Auseinandersetzung mit Genderisten ist dann doch nochmal eine ganz andere Nummer…

US-Handelsministerin Penny Pritzker erklärt, wie die USA das mit der Transparenz bei den TTIP-Verhandlungen halten.

Kongressmitglieder sehen jeden Text, bevor wir ihn in die Verhandlungen einbringen. Wir konsultieren zudem Fachleute, die unserem Beraterkreis angehören, um nicht in einem Vakuum zu verhandeln. Unser Beraterkreis besteht aus ungefähr 600 Personen aus Firmen, Gewerkschaften, Umweltorganisationen und Verbraucherschutzgruppen.

Und bei uns:

Es könne nicht alles „immer bereits im Vorfeld sozusagen für jedermann zugänglich sein“, sagte Merkel in ihrem wöchentlichen Podcast.

Alleine deswegen gehört TTIP schon beerdigt – selbst wenn es nur Vorteile für uns hätte.

Die Spezialdemokraten haben auf ihrem Parteitag für TTIP gestimmt.

Wenn Gabriel dazu erklärt, dass die SPD vor der endgültigen Verabschiedung des Vertrags noch mal gefragt wird, weiß jeder, dass es sich hier um Kosmetik handelt. An der SPD wird ein ausverhandelter TTIP-Vertrag bestimmt nicht scheitern.

25% sind offenbar immer noch viel zu viel – allerdings glaube ich auch nicht, dass sich die verbleibenden SPD-Wähler noch durch irgendwas verunsichern lassen.

Die CDU verbreitet systematische Fehlinformation über TTIP.

Die Beispiele für Falschinformationen sind zahlreich: Parteibroschüren enthalten falsche Angaben, Abgeordnete überzeichnen die Chancen von TTIP gegenüber den Bürgern und im Bundestag, mit Michael Grosse-Brömer „zitiert“ ein hochrangiger CDU-Politiker aus einer Studie, die es gar nicht gibt.

Jetzt bin ich schockiert. Man stelle sich bloß mal vor, das würde auch bei anderen Themen einreißen. (via >b’s weblog)

Nach einem Gutachten der Münchner Universität der Bundeswehr sind die mit TTIP geplanten Schiedsgerichte verfassungswidrig. Nicht überraschend, aber ich will mir bei der Gelegenheit gleich noch notieren, wessen Idee das eigentlich war:

analogo.de war im Festsaal des Mainzer Landtages zugegen, als [der US-Botschafter] Emerson spezifizierte, es sei Angela Merkel gewesen, die 2007 während ihrer EU-Ratspräsidentschaft die Initiative zu TTIP übernahm. Die deutsche Seite würde die geheimen Schiedsgerichte forcieren, da ausgerechnet Deutschland nach Ende des 2. Weltkrieges von lukrativen internationalen Aufträgen ausgeschlossen war.

Noch ein ausführlicherer Bericht zu Emersons Rede.

Das Corporate Europe Observatory (CEO, Hihi) hat die Lobbying-Termine verschiendener Interessengruppen in den TTIP-Vorverhandlungen analysiert.

Demzufolge sind nur 4 Prozent der geführten Gespräche als solche einzustufen, die in irgendeinem Sinn Interessen von Bevölkerungsgruppen stärken sollen, weitere 4 Prozent betreffen Einzelpersonen, akademische oder sonstige Akteure. 92 Prozent der Lobbygespräche dienen zur Durchsetzung privatkapitalistischer Interessen.

Und das freiwillige Lobbying-Register der EU funktioniert genau so, wie freiwillige Selbstbeschränkungen der Wirtschaft nun mal funktionieren: Ein Drittel der im Bericht vorkommenden Lobbyisten ist nicht registriert.