Der „Thüringer Heimatschutz“ hatte Hilfe von einem Polizisten, der seinen Nazi-Freunden von Geheimaktionen der Polizei erzählt hat. Das hat auch das Bundesamt für Verfassungsschutz mitbekommen und seine Thüringer Kollegen informiert. Das war 1999. Zweimal. Und wie entwickelt sich die Karriere eines „national eingestellten“ Polizisten weiter, der es mit Dienstgeheimnissen nicht ganz so genau nimmt? Richtig, der Mann wurde zum Thüringer Verfassungsschutz versetzt:

Dort habe er von September 2010 bis Ende 2011 gearbeitet – ausgerechnet „als V-Mann-Führer“ in der Szene, wie das Innenministerium einräumt. Erst nach dem Auffliegen der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ sei er versetzt worden.

Kaum ist man eine Woche weg, gibt es gleich zwei Neuigkeiten zur NSU-Löschaktion beim Verfassungsschutz: Zuerst erklärt Peter Schaar als oberster Datenschützer, dass die Akten gar nicht gelöscht werden mussten. Hierfür gebe es keine Verpflichtung, also auch keine Fristen. Und dann erfahren wir, dass es eine Löschorder aus dem Bundesinnenministerium gab – zehn Tage nach dem Auffliegen der Nazis. Und die erste Begründung? Speicherfristen. facepalm

Lacher des Tages: Helmut Roewer erklärt, wie er Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes wurde:

Es war an einem Tag nachts um 23 Uhr, da brachte mir eine unbekannte Person eine Ernennungsurkunde vorbei, in einem gelben Umschlag. Es war dunkel, ich konnte sie nicht erkennen. Ich war außerdem betrunken. Am Morgen fand ich den Umschlag jedenfalls noch in meiner Jacke.

Nach den Löschtagen beim Bundesamt ist Verfassungsschutzpräsident Fromm zurückgetreten. Okay, das klingt jetzt vielleicht irgendwie zu sehr nach Fehlern und Verantwortung – besser:

Beim Rückzug von Fromm handelt es sich nach einer Erklärung seiner Behörde jedoch nicht um einen Rücktritt. Fromm habe weder um Entlassung gebeten noch ein Rücktrittsgesuch eingereicht, sondern um eine Versetzung in den Ruhestand gebeten, sagte eine Sprecherin des Bundesamtes für Verfassungsschutz am der Nachrichtenagentur dpa.

Frontal21 hatte gerade ein interessantes Stück über die Blockade-Politik des Verfassungsschutzes gegen einen Historiker, der die rechte Vergangenheit des Dienstes erforschen will. Seinen Aussagen zufolge soll Kriegsverbrecher Klaus Barbie für die BRD nicht nur mit Waffen gehandelt haben, sondern bis 1979 auch am Aufbau der Neonazi-Szene in Deutschland beteiligt gewesen sein. Der Historiker heißt Peter Hammerschmidt, auf der Webseite von Frontal21 gibt es leider nichts zu dem Bericht.

Update: Mittlerweile gibt es den Beitrag in der Mediathek. Es kommt aber noch besser, denn in einem Freitag-Interview bringt Hammerschmidt auch noch die Gladio-Karte ins Spiel:

Die Forschungsergebnisse […] legen nahe, dass Barbie in Deutschland neofaschistische Strukturen organisierte und darüber hinaus zwischen 1978 und 1979 ausgewählte Neofaschisten für den politischen Umsturz in Bolivien rekrutierte. In den 1970er Jahren scheint Barbie in diesem Zusammenhang auch aktiv an der Organisation von Gladio-Strukturen beteiligt gewesen zu sein.

Reichsinnenminister Friedrich meint, die Überwachung Der Linken sei schon richtig, weil sie sich nicht hinreichend von der DDR distanziere. Und die taz schafft das Argument elegant aus der Welt:

Spontan fällt einem da die Frage ein, wer in der CSU sich eigentlich schon ausreichend von all den Schlesiern distanziert hat, die mit beiden Füßen noch in den deutschen Grenzen von 1937 stehen.

Von wegen „nur öffentlich zugängliche Quellen ausgewertet“: Die Linke wird natürlich auch geheimdienstlich überwacht, gibt zumindest Niedersachsens Verfassungsschutz-Präsident Hans-Werner Wargel zu Protokoll. Aber bei den Bundestagsabgeordneten wird das garantiert nicht gemacht – wirklich nicht, großes Politiker-Ehrenwort!

Update: Er spricht sogar von sieben Ländern, nennt die anderen aber nicht.

Das Innenministerium lässt 27 Bundestagsabgeordnete Der Linken vom Verfassungsschutz beobachten. Damit sind beim BfV immerhin sieben Mann beschäftigt, die rund 390.000 Euro kosten – für die Überwachung der NPD werden 590.000 Euro ausgegeben.

Unter den Beobachteten findet sich die gesamte Führungsriege Der Linken und besonders brisant: mit Steffen Bockhahn auch ein Mitglied im Vertrauensgremium des Bundestages. Dieses Gremium kontrolliert die Haushalte der Geheimdienste, und die Hürden für die Beobachtung eines Mitglieds sind besonders hoch.

Beate Zschäpe war wohl doch eine V-Frau. Das berichtet die Leipziger Volkszeitung:

Nach Informationen der Zeitung gibt es aus der Zeit zwischen 1998 und 2011 einen Hinweis, offenbar des thüringischen Landeskriminalamtes, wonach Frau Zschäpe staatlicherseits „gedeckt“ sei. Dahinter sollen sich Zuträgerleistungen aus der rechten Szene von Beate Zschäpe unter anderem auch für thüringische Sicherheitsbehörden verbergen. In dieser Zeit soll Beate Zschäpe fünf Alias-Namen verwendet haben. 2003 gab es darüberhinaus Kontakte zwischen der Justiz und Vertrauten von Beate  Zschäpe, ob und wie sich die Abgetauchte zurück an die Öffentlichkeit begeben könne.

Offiziell wird das natürlich noch immer bestritten, aber der Hintergrund hat eine recht eindeutige Zusammenfassung der aktuell bekannten Fakten.

Haben wir dem Verfassungsschutz vielleicht unrecht getan? Hat er die Schwarze Pest nun doch im Visier? Das hr-Magazin defacto hat zumindest einen Neonazi bei der Kasseler CDU gefunden, der offenbar entsprechende Qualifikationen mitbringt. Verräterisch ist der Modus Operandi:

Daniel B.s Vorgehen gleicht dem eines V-Mannes, der sich unerkannt einschleust. Nur dass Daniel B. den umgekehrten Weg ging: Er infiltrierte eine demokratische Partei.

Kleine Randnotiz: Der Mann war Schriftführer des CDU-Kreisverbandes im Stadtteil des ominösen Nazi-Verfassungsschutz-Anschlags von 2006.

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Interessanter Bericht eines §129a-Opfers. Offenbar hat der Verfassungsschutz 1998 das Protokoll eines nie geführten Gesprächs als Beweismittel verwandt, um eine Telefon- und Briefüberwachung gegen Wolf Wetzel zu begründen. Und der Name des V-Manns, der das Gespräch fingiert mitgehört haben will, ist ausgerechnet „V-Mann 123“. Warum nicht gleich Max Mustermann?

In einem zweiten Artikel berichtet Wetzel vom Prozess vor dem Verwaltungsgericht Berlin, dass die Maßnahmen nun für rechtswidrig erklärt hat. Ob es nur die Glaubwürdigkeit der Aussage von V-Mann 123 anzweifelt, oder auch seine Existenz in Frage stellt, lässt sich dem mündlichen Urteil nicht entnehmen. Auf die schriftliche Begründung bin ich gespannt.

(via)