Die Bundesnetzagentur setzt die Vorratsdatenspeicherung aus und leitet bis zu einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung keine Bußgeldverfahren bei Nicht-Umsetzung gegen die Provider ein. smile Eine Reaktion auf das Urteil aus Münster letzte Woche.
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Eigentlich wäre das ja heute ein Grund zur Freude: Das OVG Münster hat einen Provider von der Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung befreit, weil auch die neue wieder gegen EU-Recht verstößt. Eine Einzelentscheidung, und andere müssten erst noch klagen – aber immerhin!
Und dann – man könnte meinen aus Trotz – das: Der Bundestag hat den großflächigen Einsatz von Staatstrojanern beschlossen. Die dürfen jetzt überall da eingesetzt werden, wo bisher Telefone abgehört werden durften. Und da sind wir meines Wissens sogar schon Weltmeister.
Wahrlich eine „DDos-Attacke gegen das Bundesverfassungsgericht“, wie Netzpolitik in einem weiteren Artikel schreibt:
Die Liste der grundrechtsfeindlichen Gesetze dieser großen Koalition ist lang: Von der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung über die Erweiterung der Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes bis zur Ausweitung der Videoüberwachung hat diese Regierung wenig ausgelassen, was dieses Land weiter in den Überwachungsstaat treibt. Die Budgets der Geheimdienste erhöht und ihre Unkontrollierbarkeit versteckt ausgebaut. Den Diensten nebenbei vollautomatischen Zugriff auf die Passbilder aller Bürger gewährt und die massenhafte Handydurchsuchung für Flüchtlinge eingeführt. Mal von der Speicherung der Fluggastdaten aller Bürger ganz zu schweigen.
Könnte man im Herbst ja mal in die Wahlentscheidung einfließen lassen. *träum*
Das BVerfG hat die Eilanträge auf Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung bis zum endgültigen Urteil abgelehnt. Es sieht zwar einen „erheblichen Einschüchterungseffekt“, aber ein richtiges Problem werde das ja vorerst nur, wenn die gespeicherten Daten wirklich abgerufen würden.
Nutzer trilling fasst das Problem unter dem Titel letztens zwischen Geschwistern im Heise-Forum in einem schönen Bild zusammen:
Der Ältere haut die Hälfte einer Schokolade weg, der Jüngere beschwert sich und sagt es solle geteilt werden. Daraufhin teilt der Ältere den Rest.
Die Grundrechtseingriffe durch die Vorratsdatenspeicherung mögen dem Gericht gering erscheinen, im Kontext zu vorausgegangenen und damit zu verknüpfenden Grundrechtseinschränkungen, im Kontext der Gesamtlage ist das einfach nicht hinnehmbar und die Einschränkung jedes Bürgers ist enorm.
Die SPD-Bundestagsfraktion traut sich, die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in ihrer Halbzeitbilanz als Erfolg für die Terrorabwehr zu präsentieren. Aber ich werde von Kollegen schräg angeguckt, wenn ich von der Verräterpartei spreche.
Morgen tritt das neue Gesetz zur Intimsphärenspeicherung in Kraft. Und Bayern hat bereits beschlossen, die Daten auch dem Verfassungsschutz zur Verfügung zu stellen. Andere Länder werden bestimmt folgen.
Auch im Justizministerium selbst weiß man, dass der neue Anlauf zur Initimsphärenspeicherung nicht mit dem EuGH-Urteil vereinbar ist. Maas hat mindestens zwei entsprechende Bewertungen aus seinem Haus ignoriert. Keine mildernden Umstände!
Der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD) zur Wiedereinfürung der Intimsphärenspeicherung. Den muss ich ich mir dann aus der letzten Woche doch noch nachtragen – denn widerlicher wird’s hoffentlich nicht mehr so schnell.
Ich verzichte gerne auf vermeintliche Freiheitsrechte wenn wir einen Kinderschänder überführen.
„Vermeintliche“ Freiheitsrechte – geht’s denn noch?! Dazu eine schöne Analyse von Sascha Lobo. Ich bin ja auch für nächtliche Ausgangssperren, wenn wir dadurch nur ein Graffiti verhindern. facepalm
Wer nicht frei verfügbare Daten an sich bringt und weitergibt, macht sich strafbar. Damit könnte Whistleblowern in Zukunft Haft drohen – und Journalisten.
Vizekanzler Sigmar Gabriel ist bei seinem Werben um die Vorratsdatenspeicherung nicht durchgehend mit validen Begründungen aufgefallen.
Millionenfaches Datensammeln ist übrigens keine Massenüberwachung, erklärte jetzt ein BND-Jurist vor dem NSA-Untersuchungsausschuss. Wenn das mal nicht genau der richtige Spirit für eine Beförderung ins Justizministerium ist. Schließt braucht der Heiko da nach Siggis Machtwort jede helfende Hand, wenn er denn wirklich bis Juni einen Entwurf für die Intimsphärenspeicherung vorlegen will.
Die EU-Kommission will keinen neuen Anlauf zur Intimsphärenspeicherung starten, in Holland und Bulgarien wurde sie gerade für verfassungswidrig erklärt und auch in Frankreich hat sie bekanntlich nichts gebracht. Auf die Verräterpartei ist dennoch Verlass, erklärt Sigmar Gabriel:
Ich glaube nur, dass die Debatte eine sehr ideologische ist. Die Vorratsdatenspeicherung ist kein Allheilmittel, die wird uns nicht bei jeder Gelegenheit helfen, alle Straftaten zu verhindern, aber sie kann uns durch eine schnellere Aufdeckung von Straftaten helfen, die nächste Straftat zu verhindern.
Das kann man eigentlich nur noch mit Pispers kommentieren. bigsmile
Früher waren Dick und Doof noch zwei Personen.
Ex-Innenminister und -Verfassungsgerichtspräsident Ernst Benda:
Einen Staat, der mit der Erklärung, er wolle Straftaten verhindern, seine Bürger ständig überwacht, kann man als Polizeistaat bezeichnen.
Das war 2007 zur Vorratsdatenspeicherung und ist leider noch immer aktuell. (Danke, Max)
Danke, Thomas Stadler! Acht Mythen zur Vorratsdatenspeicherung. Habe ich sicher nicht zum letzten Mal verlinkt. Lacher am Rande hinsichtlich des aktuellen EuGH-Úrteils:
Es hat also zu keinem Zeitpunkt eine grundrechtskonforme und rechtswirksame europarechtliche Vorgabe für eine Vorratsdatenspeicherung gegeben. Durch das Urteil des EuGH hat sich vielmehr herausgestellt, dass Deutschland derzeit der einzige Mitgliedsstaat der EU ist, der die Vorratsdatenspeicherung korrekt umgesetzt hat, nämlich gar nicht.
Dass sich dessen noch keiner gerühmt hat?!
Update: Könnte auch daran liegen, dass es so nicht stimmt. Zumindest Tschechien und Rumänien haben laut Wikipedia auch keine.
Die Verräterpartei überzeugt durch Kontinuität:
Die SPD-Innenminister bekräftigten in einer „Berliner Erklärung“ ihre Position, dass sie „eine angemessene Mindestspeicherung zur Verfolgung schwerster Kriminalität“ für notwendig halten. Dies werde mit dem EuGH-Urteil auch „nicht grundsätzlich als rechtswidrig“ angesehen.
Was das Urteil alles als rechtswidrig ansieht, findet sich in Abschnitt 57 ff.
Ein schöner Tag! Der EuGH hat die Richtlinie zur Intimsphärenspeicherung gekippt. Und auch wenn die Sicherheitsesoteriker aller Parteien natürlich schon darüber nachdenken, wie sie sie trotzdem bekommen, und ich mir nicht sicher bin, ob wir das auf Dauer verhindern können – ich halte mich heute an Udo Vetter und lasse mir die Stimmung nicht vermiesen:
Ein hoch erfreuliches Urteil. Es setzt die Latte für alle jene sehr hoch, die trotzdem noch eine Vorratsdatenspeicherung einführen wollen.
Update: Direkt zum PDF des Urteils.
Heiko Maas bereitet doch schon mal einen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung vor. Vor zwei Wochen hat er noch den Bürgerechtler gegeben – aber da war ja auch Winterpause und Mutti durch ihren Beckenringbruch eingeschränkt:
Ich lege keinen Gesetzesentwurf vor, bevor der Europäische Gerichtshof endgültig geurteilt hat, ob die Richtlinie die Rechte der EU-Bürger verletzt oder nicht.
Update: Da haben sich der Thomas und der Heiko doch noch mal zusammengesetzt und die Intimsphärenspeicherung bis zur Entscheidung des EuGH auf Eis gelegt. Aber bestimmt keinen Tag länger, befürchte ich. (Danke, Max)
Die Vorratsdatenspeicherung hat sich zu einer Art Symbolthema entwickelt. Wenn man das Thema aber auf den sachlichen Kern zurückführt, hat es mit einer erheblichen Einschränkung von Freiheitsrechten, wie immer wieder behauptet wird, nicht viel zu tun.
Ein Gutachter des Europäischen Gerichtshofs hat festgestellt, dass die Vorratsdatenspeicherung mit den Grundrechten unvereinbar ist. Allerdings nur in ihrer jetzigen Form, grundsätzlich sieht er da leider kein Problem. sad
Euch sind sicherlich auch die vielen spektakulären Erfolge im Kampf gegen den Terrorismus der letzten Zeit aufgefallen, oder? Die verdanken wir sicher den mehr als vier Millionen letztes Jahr in der EU abgefragten Vorratsdaten.
Den Qualitätsjournalisten vom Ehemaligen Nachrichtenmagazin kann man wirklich alles diktieren. Zum Beispiel, dass die Schwarze Pest die Vorratsdatenspeicherung aufgibt, nur weil das Wort im Regierungsprogramm nicht mehr vorkommt. Dabei hat IM Friedrich das neue Wording schon vor mehr als zwei Jahren erklärt.