terrorcamp-gesetz.300pxHeribert Prantl erläutert in einem hervorragenden Kommentar zu dessen erster Lesung die wahre Bedeutung des Entwurfs zum sogenannten „Terrorcamp-Gesetz“:

Unter Strafe gestellt wird die noch nicht konkrete Vorbereitung von noch nicht konkreten Straftaten. Die zu einer rechtsstaatlichen Verurteilung untauglichen Strafvorschriften werden deshalb geschaffen, weil der Staat zur Verfolgung dieser neuen nebulösen Delikte das schwere Instrumentarium der Strafprozessordnung auspacken kann: Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation, Lauschangriff, Hausdurchsuchung bei Kontaktpersonen, Kontrollstellen auf Straßen und Plätzen, Vermögensbeschlagnahme, Verhaftung und Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr. Die schwersten denkbaren Maßnahmen und Grundrechtseingriffe werden also auf allerdünnstes Eis gestellt. Gäbe es den Straftatbestand der Missachtung der Gerichte, dann wäre er mit diesem Gesetz verwirklicht. Es verhöhnt die Strafjustiz.

Unsere Volksvertreter selbst nehmen da allerdings auch kein Blatt vor den Mund:

Siegfried Kauder von der CDU/CSU-Fraktion räumte ein, dass die Strafbarkeit vorverlagert werden solle, um Ansatzpunkte für Ermittlungsmaßnahmen zu haben. Heute würde kein Richter bei einem vagen Verdacht etwa eine Telekommunikationsüberwachung zulassen. Die vorgeschlagenen drei neuen Paragraphen würden den Fahndern dagegen mehr Möglichkeiten für das Abhören oder die Wohnraumüberwachung eröffnen. „Wer Sicherheit in Deutschland liebt, muss diesem Gesetz zustimmen“, sagte der CDU-Politiker.

Und es geht noch tiefer:

Wenn die erste U-Bahn in Deutschland hochgehe, würde auch die Opposition als erstes auf die Koalitionslinie einschwenken, meinte Joachim Stünker von der SPD-Fraktion, und ermahnte gleichzeitig die Kritiker für ihre Wortwahl, mit der sie „die Schmerzgrenze überschritten“ hätten. Keiner müsse Angst haben vor dem Gesetz, da die Verdächtigen im Zweifelsfall natürlich freigesprochen würden.

Auf den Seiten des Bundestages gibt es den Gesetzentwurf als PDF.

blaetterwald.300pxAus einem Interview mit einem namentlich nicht gekannten Redakteur über den Alltag in einem Redaktionsbüro:

Früher hat man noch recherchiert und das Hintergrundmaterial für die Artikel zum Teil selbst beschafft. Das entfällt inzwischen komplett. Hintergrundmaterial und Quelle/n bekommen wir vom Auftraggeber gleich mitgeliefert. Bei namhaften Kunden findest du im Briefing meist einen Vermerk wie “Material anbei, keine Recherche, nur Text!” o.ä. Unser Chefredakteur hebt diese Passagen dann meist noch hervor oder drückt zusätzlich einen entsprechenden Stempel drauf.

Und weiter:

Ich arbeite jetzt seit Ende der 90er-Jahre für dieses Redaktionsbüro. Am Anfang war alles noch so, wie man es sich vorstellt: Kurzes Briefing, Gespräche mit dem Auftraggeber, eigene Konzepte dazu erarbeiten und umsetzen, viel Freiraum, eigene Recherchen, eigene Quellen, Prüfung der Quellen, Rückfragen, Interviews selbst durchführen, viele Telefonate, umherreisen u.s.w. Das volle Programm eben. […] Seit dem 11. September 2001 ist alles plötzlich ganz anders. Das kam zwar nicht von heute auf morgen, aber innerhalb weniger Monate änderte sich alles. Das bezog sich zunächst nur auf die ganz Großen der Branche und arbeitete sich immer weiter nach unten durch.

Wenn das so stimmt, ist es ja noch schlimmer als ich dachte. Und der Output des medialen Mainstreams widerlegt ihn ja nicht.

patchfeld.300pxRechtsanwalt Oliver J. Süme, Vorstandsmitglied im Verband der deutschen Internetwirtschaft, zur Sinnhaftigkeit von Access-Sperren im Kampf gegen Kinderpornografie:

Gerade im Bereich der Kinderpornografie ist die politische Versuchung groß, nichts unversucht zu lassen und alles, was auf den ersten Blick möglich erscheint, zu fordern, um Lösungen anzubieten. Eine breite öffentliche Zustimmung ist dabei in der Regel garantiert. Wenig bekannt ist in der Öffentlichkeit jedoch z.B. der Umstand, dass sich nur ein Bruchteil dieser kriminellen Aktivitäten auf Websites abspielt und die Inhalte hauptsächlich in Peer-to-Peer-Netzen und Chat-Protokollen getauscht werden.

Geplant ist die gesetzlich verankerte, ständige Sperrung einer quantitativ nicht begrenzten Liste durch ein technisches System, das die Täterermittlung und die Beseitigung der eigentlichen Inhalte ergänzen soll. Dabei droht die Einzelfallprüfung und die individuell zu berücksichtigende Verhältnismäßigkeit auf der Strecke zu bleiben. Berücksichtigt man zudem, dass auch im Zusammenhang mit jugendgefährdenden Inhalten, illegalen Glücksspielen und Urheberrechtsverletzungen bereits heute konkrete Sperrungsaufforderungen durch die jeweiligen Interessenvertreter an Zugangsprovider herangetragen werden, droht aus der Ausnahme die Regel zu werden.

Roger Willemsen im Interview auf die Frage, warum sich auch die liberale Öffentlichkeit gegen die Unschuldsvermutung in Hinblick auf die Guantanamo-Häftlinge sperrt:

Weil das antimuslimische Ressentiment flächendeckend geworden ist. Ein Gewürzhändler war am falschen Tag am falschen Ort, wird von den Taliban angeschossen und dann von Kopfgeldjägern nach Guantánamo verschleppt – aber niemand gesteht ihm Unschuld zu. Da muss man von Propaganda sprechen. Es tut mir Leid, ich würde gerne mit etwas weniger Emotion über diese Sache reden, aber solches Ressentiment auch hierzulande arbeitet daran mit, dass so etwas wie Guantánamo möglich ist. Die Tatsache, dass das Lager bis heute besteht, zeigt, dass Politik und Öffentlichkeit nicht genug getan haben.

Und zur Rolle der (deutschen) Medien:

Blockade ist zu viel gesagt. Aber im Vergleich zu dem, was der Guardian, BBC, Chanel 4 über Guantánamo berichtet haben, blieb das, was ARD, ZDF, der Spiegel und der Stern gemacht haben, deutlich unter den publizistischen Möglichkeiten. Schlüsselfragen, wie etwa die deutsche Beteiligung an Verhören müssten deutsche Journalisten doch brennend interessieren. Radikalität ist die einzige humane und diskutable Haltung gegenüber diesen Lagern. Diese Radikalität sehe ich fast nirgends.

Zum Stichwort „antimuslimisches Ressentiment“ passt dann auch das Thema der letzten Episode der Lindenstraße (Auftauen):

Gabi ist sprachlos. Sie hat erfahren, dass Timo zum Islam konvertiert ist. Andy sieht in der religiösen Orientierung seines Sohnes kein Problem. Das ändert sich schlagartig, als Gabi in Timos Sachen eine Anleitung zum Bau einer Bombe findet …

In eine seiner ersten Amtshandlungen hat Barack Obama die Schließung von Guantánamo angeordnet. Ein mehr als überfälliger Schritt, denn bei den Militärtribunalen handelt es zweifelsohne nicht um rechtsstaatliche Verfahren.

spiegel-guantanamo-streit.300pxSo hat nicht nur der Ex-Chefankläger im US-Lager Guantánamo der US-Regierung vorgeworfen, die Prozesse manipuliert zu haben, auch wurde die Unrechtmäßigkeit der Tribunale vom Supreme Court, dem höchsten Gericht der USA, festgestellt.

Die Menschen, die in Guantánamo einsitzen, können also im Grunde nicht einmal guten Gewissens als Verdächtige bezeichnet werden. So hat auch eine an der Rechtsfakultät der Seton Hall University erarbeitete Studie ermittelt, dass die meisten Häftlinge in Guantánamo schlicht unschuldig sind, wie etwa auch die ehemalige Bill-Clinton-Beraterin Naomi Wolf in ihrem Buch “Wie zerstört man eine Demokratie” schreibt.

SPIEGEL Online sagt, es gäbe “harte Beweise für terroristische Aktivitäten – doch wie können “harte Beweise” vorliegen, wenn die Tribunale nicht rechtsstaatlich waren?
SPIEGEL Online
hingegen kommt in seinem Artikel “Steinmeier und Schäuble wollen Guantanamo-Streit beenden” zu einer Rechtsauffassung, die irgendwie an die der Bush-Regierung erinnert. So heißt es in dem Beitrag, in dem es um die Auseinandersetzung geht zwischen den beiden Ministern über die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen, die nicht in ihre Heimatländer zurück können:

“Neben rund 40 Personen, gegen die wie im Fall des 9/11-Drahtziehers Chalid Scheich Mohammed harte Beweise für terroristische Aktivitäten vorliegen und die vermutlich vor Militärgerichte in den USA und vor normale US-Richter gestellt werden, gibt es mehr als 100 Insassen, deren Unschuld mehr oder minder bewiesen ist.”

Insgesamt also, behauptet SPIEGEL Online, lägen gegen rund 40 Guantánamo-Insassen “harte Beweise” für terroristische Aktivitäten vor. Doch wie sollen die vorliegen können, wenn, wie gesagt, die Militärtribunale nicht rechtsstaatlich waren? Sollte darüber, wie “hart” die Beweise wirklich sind, nicht besser erst einmal ein ordentliches Gericht entscheiden? Bestenfalls könnte man berichten, dass die Militärankläger meinten, genug harte Beweise zu haben, um die aus ihrer Sicht Verdächtigen anklagen zu können. Und ob eine solche Anklage überhaupt Aussicht auf Erfolg hat bzw. aufgrund der vorliegenden “Beweise” überhaupt zugelassen wird, das muss sich erst noch zeigen.

Schlussfolgerung von SPIEGEL Online weder juristisch noch journalistisch sauber
Dies gilt streng genommen auch für Chalid Scheich Mohammed, vo dem SPIEGEL Online ja meint, er sei der “Drahtzieher” der Anschläge vom 11. September 2001. Zwar hat er vor dem Militärtribunal in Guantánamo so ziemlich alles gestanden, was die Bush-Regierung Al-Quaida seit langem vorwirft. Doch wohl kein rechtsstaatliches Gericht der Welt würde ein solches Geständnis anerkennen.

So geht nicht nur Hans-Christian Ströbele von den Grünen davon aus, dass die Aussagen von Scheich Mohammed unter Folter zustande gekommen sind. “Er hätte wohl auch gestanden, der Satan persönlich zu sein”, sagte Ströbele der Süddeutschen Zeitung. Chalid Scheich Mohammed als “9/11-Drahtzieher” zu bezeichnen, wie es SPIEGEL Online tut, ist also weder juristisch noch journalistisch sauber und kommt daher einer Vorverurteilung gleich – auch wenn man der festen Auffassung ist, dass er ein Terrorist ist. Allenfalls hätte SPIEGEL Online ihn “mutmaßlichen 9/11-Drahtzieher” nennen können.

Nicht so sicher ist sich SPIEGEL Online demgegenüber bei der Beschreibung der Häftlinge, die nicht vor Gericht gestellt werden sollen, sei ihre Unschuld doch nur “mehr oder minder bewiesen”. Doch will uns SPIEGEL Online damit ernsthaft mitteilen, dass nicht rechtsstaatliche Tribunale überhaupt etwas beweisen können? Im Grunde ist die Sache doch ganz einfach: Nach rechtsstaatlichen Prinzipien gilt “in dubio pro reo”, sprich ein Angeklagter gilt so lange als unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist.

Geschichte von Guantánamo-Insassen weckt Erinnerungen an Behandlung von Gulag-Gefangenen
Das sollte ganz besonders auch für Guantánamo-Insassen gelten, liegen gegen sie nicht nur offenkundig keine Beweise vor, die eine Anklage rechtfertigen würden. Auch ist zu bedenken, dass etliche von ihnen nur deshalb in Guantánamo gelandet sind, weil sie in die Fänge der afghanischen Kriegsherren (Warlords), die sich im Kampf gegen die Taliban in einer “Nordallianz” zusammengetan hatten, geraten waren. Und der Anreiz, Gefangene zu machen, war für die Warlords groß, hatten die USA doch für jeden Gefangenen eine Belohnung von 5000 $ ausgesetzt – was “in dieser Region der Welt eine beträchtliche Summe ist”, wie Naomi Wolf schreibt. Dabei “denunzierten die Warlords häufig schlicht Nachbarn, mit denen sie verfeindet waren, oder sie nannten die Namen einfacher Dorfbewohner, um die Belohnung zu kassieren” (”Wie zerstört man eine Demokratie, S. 94).

Naomi Wolf zieht in ihrem Buch, was die Behandlung der Gefangnen angeht, eine Parallele zu den Gefangenen in Stalins Gulags. Auch werden bei solchen Zustände Erinnerungen an Zeiten in Europa wach, in denen Menschen durch willkürliche Denunziationen zu Hexen abgestempelt wurden.

Arthur Miller: “Die Hexenverfolgung war eine perverse Manifestation der Angst, die sich aller Klassen bemächtigte, als sich die Waage nach der Seite größerer individueller Freiheit zu senken begann. Sieht man über die offenbare Schändlichkeit des Einzelnen hinaus, so kann man sie alle nur bedauern, so wie man uns eines Tages bedauern wird.”

Erstveröffentlichung: SPIEGELblog, 24. Januar 2009

Barack Obama ist nun Präsident. Und eine seiner ersten Amtshandlungen war es, die Schließung des US-Lagers Guantánamo zu verfügen und damit eines seiner wichtigsten Wahlversprechen anzugehen. Das ist natürlich uneingeschränkt begrüßenswert, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich dabei eher um eine Selbstverständlichkeit als um eine wirkliche Leistung handelt. Ein Schritt zurück in Richtung Zivilisation und Rechtsstaat.

Die St. Petersburg Times hat sich die Mühe gemacht, dieses und über 500 weitere Wahlversprechen Obamas zusammenzufassen: So macht es das Obameter leicht, die Arbeit des neuen Präsidenten an seinen Versprechen messen.

Die Wahrheit geht in Kriegen bekanntermaßen als erstes unter – und auch die Medien können sie gerade heutzutage oft nur schwer an die Oberfläche holen. Um so mehr sind hier Ausgewogenheit und Sensibilität (insbesonders in Bezug auf die Wortwahl) gefragt – zwei Dinge, die die Nahost-Berichterstattung von SPIEGEL Online zuweilen vermissen lässt, etwa in dem Artikel

spiegel-psychotricks.288px“Psychotricks demoralisieren den Gegner” vom 15. Januar, in dem es um Propagandastrategien von Israelis und der Hamas geht (siehe Screenshot).

Um dies nachvollziehen zu können, lohnt es, die Kriegshistorie der vergangenen Monate noch einmal kurz Revue passieren zu lassen:

Im Juni 2008 war zwischen Israelis und der Hamas eine Waffenruhe vereinbart worden, von der jedoch in erster Linie die israelischen Anwohner im Grenzgebiet profitierten. Dagegen hofften die Menschen im Gazastreifen vergeblich auf eine Öffnung der Grenzen oder, wie es der ARD-Korrespondent Clemens Verenkotte formulierte, “auf ein Ende des eingesperrten Daseins in einem Freiluft-Gefängnis”. Als Anfang November 2008 die israelische Armee – in der Nacht der amerikanischen Präsidentschaftswahlen – mit der Tötung von mehreren Hamas-Milizionären im Gazastreifen gegen die Waffenruhe verstieß, nahm die Hamas ihren Raketenbeschuss wieder auf. “Einen Monat lang ließ Israels Regierung dann nichts mehr in den Gazastreifen hinein – ohne dass die internationale Gemeinschaft gegen diese völkerrechtswidrige Kollektivbestrafung auch nur einmal die Stimme erhoben hätte”, so Verenkotte.

raketen-gaza.300pxSPIEGEL Online gibt Falschmeldung der Israelis weiter
Auch SPIEGEL Online scheint sich nicht für diese “völkerrechtswidrige Kollektivbestrafung” durch die Israelis interessiert zu haben. Jedenfalls findet man auf SPIEGEL Online darüber nichts, wenn man für den Zeitraum November 2008 nach dem Begriff “Gaza” sucht. Lediglich erhält man als Suchtreffer eine kurze Meldung vom 5. November, in der SPIEGEL Online darüber berichtet, dass vier Palästinenser durch einen israelischen Luftangriff ums Leben gekommen seien, wobei nicht nur ziemlich einseitig die Position der israelischen Regierung dargelegt wird, die ihre “Militäraktion mit dem fortwährenden Beschuss militanter Palästinenser rechtfertigte” – auch ist die von SPIEGEL Online widergegebene Rechtfertigung offenbar eine Lüge.

So bestätigte Mark Regev, Sprecher für die israelische Regierung, in einem TV-Interview, dass während des Waffenstillstandes in den etwas mehr als vier Monaten davor keine Raketen der Hamas auf Israel abgefeuert worden waren und dass in dieser Zeit auch kein Israeli durch Raketen getötet worden war (siehe Screenshot). Die ganz wenigen Raketen, die noch kamen, waren nicht von der Hamas, sondern von Einzeltätern, wie Israel selber bestätigte. Erst als eine israelische Spezialeinheit in der Nacht vom 4. auf den 5. November 2008 nach Gaza eindrang und sechs Hamas-Kämpfer ermordete, begann die Hamas wieder mit Raketenabschüssen.

Am 26. Dezember rief Israel dann auf scheinheilige Weise einseitig eine 48-stündige Waffenruhe aus. Scheinheilig deshalb, weil offenbar von Anfang an klar war, dass man die Waffenruhe bereits nach 24 Stunden wieder zu brechen gedachte, um sogleich mit 60 Kampfjets Angriffe auf die Hamas zu fliegen – was dann auch geschah. Dass die Hamas davon “nichts ahnte”, ist in dem eingangs erwähnten SPIEGEL-Online-Beitrag “Psychotricks demoralisieren den Gegner” auch zu lesen. Kritikwürdig ist jedoch die darin vorgenommene semantische Einordnung der israelischen Vorgehensweise.

Denn diese Vorgehensweise kann ja durchaus – sachlich formuliert – als Bruch des Völkerrechts eingestuft werden, nicht zuletzt, weil unter den Opfern zahlreiche nicht direkt an den Auseinandersetzungen beteiligte Personen waren. So gab es allein am 27. Dezember auf palästinensischer Seite, wie etwa Le Monde diplomatique schreibt, “besonders viele Opfer: über 270 Tote und hunderte Verletzte. Die meisten waren Polizeischüler, die ihre Diplome entgegennehmen wollten – also nicht etwa gefährliche Terroristen.”

SPIEGEL Online beschönigt Bombardements der Israelis

Aus dem Artikel auf SPIEGEL Online geht dies aber nicht so hervor. Man muss in seiner Kritik vielleicht nicht gleich so harsch werden wie der Nemeticos Politblog, doch wenn der SPIEGEL-Online-Artikel im Zusammenhang mit den israelischen Bombardements von einem “Psychotrick” redet und von der “wohl gelungensten Desinformationskampagne”, so kann man dies sicher nur als Beschönigung bezeichnen. Bei der Hamas hingegen scheut SPIEGEL Online nicht davor zurück, so richtig abfällig zu werden und etwa Äußerungen der Hamas als “Großmäuligkeit” auszumalen – was durchaus gerechtfertigt sein mag, doch vermisst man hier Begriffe wie “großmäulig” oder “militant” oder “Terror” im Zusammenhang mit den Israelis.

Problematisch ist zudem, dass SPIEGEL Online, ohne dass wir Näheres über die Hintergründe des Konflikts erfahren, in seinem “Psychotricks”-Beitrag davon redet, dass zu der Zeit, als Israel die scheinheilige 48-stündige Waffenruhe ausrief, “ein Krieg zwischen Israel und der Hamas fast unvermeidlich schien”. Problematisch ist diese Darstellung deshalb, weil das Auslassen der Hintergründe in Verbindung mit den zuvor wertenden Formulierungen suggeriert, dass Israel der Krieg mehr oder minder aufgezwungen worden sei – was man aber in Anbetracht der skizzierten Aggressivität, mit der Israel zu Werke ging, sicher nicht so ohne Weiteres sagen kann.

Zumal man in diesem Zusammenhang auch noch anführen könnte, dass die israelische Luftwaffe bei ihren Bombardements Ende Dezember neuartige Raketen vom Typ GBU-39 verwendete – Raketen, die Israel bereits im September von den USA gekauft hatte, wie etwa die Jerusalem Post berichtete.  Dies könnte zumindest ein Hinweis darauf sein, dass Israel seine Angriffe schon seit längerer Zeit geplant hatte…

Erstveröffentlichung: SPIEGELblog, 19. Januar 2009