Das Gehampel stellt weitere Rekorde auf. Kurz nach der Meldung über die höchsten Ausgaben für Fotografen, Frisöre und Visagisten, ist nun klar: auch bei den Beauftragten und Parlamentarischen Staatssekretären ist unsere Regierung auf Rekordkurs. 

Auch die Finanzierung der parteinahen Stiftungen hat einen Rekordwert erreicht. Natürlich nicht für alle: Die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung erhält keine Bundesmittel, was kürzlich auch vom Bundesverfassungsgericht gerügt wurde. Ironischerweise ist die AfD die einzig mir bekannte Partei, die sich gezielt für eine gesetzliche Regelung und Beschränkung dieser verdeckten Parteienfinanzierung einsetzt. Und zumindest eine gesetzliche Regelung hat das BVerfG deswegen nun dem Gehampel aufgetragen.

Insgesamt wird der Bund 2023 rund 540 Milliarden Euro Schulden aufnehmen.

Das BVerfG hat den politischen Arm des Verfassungsschutzes nicht verboten. Die NPD sei zwar verfassungsfeindlich, aber zu unbedeutend um der Demokratie gefährlich zu sein. 

Finde ich nicht gut. Wenn eine Partei verfassungsfeindlich ist, gehört sie meiner Meinung nach unabhängig von ihrem Einfluss verboten. Genau das ist das Kriterium. Und das sah das BverfG beim Verbot der KPD selbst auch noch so:

Eine Partei kann nach dem Gesagten auch dann verfassungswidrig im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG sein, wenn nach menschlichem Ermessen keine Aussicht darauf besteht, daß sie ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer Zukunft werde verwirklichen können. 

Dass vor dem Urteil heute Morgen nochmals der Verbotsantrag verlesen wurde, hat den deutschen Qualitätsjournalismus übrigens völlig überfordert:

Das Erste, Phoenix, Spiegel Online, Zeit Online, der RTL-Chefkorrespondent, der MDR, die NZZ, Stern.de – sie alle verschickten falsche Eilmeldungen via Twitter und als Push-Nachricht auf Smartphones, das Bundesverfassungsgericht habe dem NPD-Verbotsantrag stattgegeben.

Kleiner Tipp: Ein Urteil ist das, was nach „Im Namen des Volkes“ kommt. 

Das BVerfG hat entschieden, dass die Übergroße Koalition CETA nur unter Auflagen vorläufig zustimmen darf. Und zwar muss es eine Klausel für einen möglichen Austritt geben, und Regelungen, die nicht in EU-Kompetenz fallen, müssen ausgeklammert werden. Das betrifft auch die Schiedsgerichte.

Immerhin etwas. Ich gespannt, ob und wie sie das noch reinverhandelt bekommen.

Das BVerfG hat die Eilanträge auf Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung bis zum endgültigen Urteil abgelehnt. Es sieht zwar einen „erheblichen Einschüchterungseffekt“, aber ein richtiges Problem werde das ja vorerst nur, wenn die gespeicherten Daten wirklich abgerufen würden.

Nutzer trilling fasst das Problem unter dem Titel letztens zwischen Geschwistern im Heise-Forum in einem schönen Bild zusammen:

Der Ältere haut die Hälfte einer Schokolade weg, der Jüngere beschwert sich und sagt es solle geteilt werden. Daraufhin teilt der Ältere den Rest.

Die Grundrechtseingriffe durch die Vorratsdatenspeicherung mögen dem Gericht gering erscheinen, im Kontext zu vorausgegangenen und damit zu verknüpfenden Grundrechtseinschränkungen, im Kontext der Gesamtlage ist das einfach nicht hinnehmbar und die Einschränkung jedes Bürgers ist enorm.

Thomas de Maizière klärt auf:

Es ist nicht Aufgabe Karlsruhes, ständig dem Gesetzgeber in Sachen Sicherheit in den Arm zu fallen.

Gut, dass er das mal erläutert hat. Ich dachte ja immer, genau das wäre die Aufgabe des BVerfG. Die Grundrechte zu schützen und Politikern in die Parade zu fahren, die das Grundgesetz mit Füßen treten.

Aber der Thomas ist im Gegensatz zu mir Jurist – der muss es wissen.

Das BVerfG hat die Herdprämie gekippt. Leider ohne den Irrsinn in der Sache einzustampfen, sondern „nur“ weil der Bund gar nicht berechtigt war, das Gesetz überhaupt zu erlassen. Das wäre Ländersache gewesen.

Zu einem weiteren Urteil könnte es aber durchaus kommen, denn der Seehofer hat schon erklärt, in Bayern weiterhin zu zahlen. Obwohl – zahlen sollen eigentlich noch immer wir alle für die spinnerte CSU-Idee. Und warum?

Die Leistung sei auf Basis einer Koalitionsvereinbarung in Berlin eingeführt worden. „Die heutige rechtstechnische Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ändert nichts an der gemeinsamen politischen Willensbildung.“

„Rechtstechnische Entscheidung“ muss ich mir auf jeden Fall merken. Und ich freue mich schon darauf, wie wir in Brüssel nach einem endgültigen Aus der PKW-Maut auf die Zahlung der entgangenen Einnahmen bestehen, weil das ja auch nichts an unserer gemeinsamen politischen Willensbildung ändert. wink

PS: Den „KBA-Chef Zinke“ im Artikel zur Maut muss man aber auch ganz genau lesen.

Die Schwarze Pest will die Rechte der Verfassungsrichter beschneiden. Und warum das dringend geboten ist, zeigt zum Beispiel der Fall des undankbaren Thüringer Ex-Innenministers Peter Huber:

Huber ist Mitglied des Senats, der die Dreiprozenthürde zur Europawahl gekippt hatte, was in der Union auf Empörung gestoßen war. Huber tue so, als hätte er nie etwas mit der Union zu tun gehabt, hieß es.

Karlsruhe hat entschieden, dass der ZDF-Staatsvertrag grundgesetzwidrig ist:

Im Fernsehrat des Senders, der 77 Mitglieder hat, muss der Anteil von Politikern und „staatsnahen Personen“ von derzeit 44 Prozent auf ein Drittel reduziert werden, wie das Gericht entschied. Im Verwaltungsrat, der den Intendanten überwacht, sind 6 von 14 Mitgliedern Staat und Parteien zuzurechnen. Zudem dürfen Politiker bei der Auswahl der aus gesellschaftlichen Gruppen entsandten Mitglieder des Fernsehrats „keinen bestimmenden Einfluss“ mehr ausüben.

Die jüngste Twitter-Offenbarung von Erika Steinbach:

Wer schützt eigentlich unsere Verfassung vor den Verfassungsrichtern?

erinnerte mich irgendwie an die Worte eines anderen großen CDU-Denkers – Wolfgang Schäuble:

Es ist beim Regieren sehr hinderlich, wenn man sich beim Ändern der Verfassung an die Verfassung halten muß.

Aber auf der Suche nach einer Quelle für das Zitat beschleicht mich nun langsam der Verdacht, dass Schäuble dafür zu Unrecht die Lorbeeren einheimst. Kann ihm jemand mit einem vernünftigen Beleg zur Ehrenrettung verhelfen?

Zum BVerfG-Urteil zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren:

Die Bundeswehr wehrt nicht wie die Polizei Gefahren ab. Ihre Aufgabe ist es, den Gegner zu vernichten und da außer uns gerade niemand da ist, sind wir, das Volk, dieser Gegner

Außerdem entwirft denkbonus noch ein Szenario, wie aus einer Demo ein bewaffneter Aufstand werden kann, und zitiert das lesenswerte Sondervotum des Verfassungsrichters Reinhard Gaier. (via)

Boah, wie ich diese Verfassungsverächter bei der Schwarzen Pest hasse. Kaum reicht ihnen das BVerfG in Form eines katastrophalen Fehlurteils beim Einsatz der Bundeswehr im Inneren den kleinen Finger, fordern schon die ersten die alleinige Entscheidungsbefugnis für den Kriegsminister.

Dabei heißt es in der Karlsruher Entscheidung völlig unmissverständlich.

Der Einsatz der Streitkräfte nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG ist, auch in Eilfällen, allein aufgrund eines Beschlusses der Bundesregierung als Kollegialorgan zulässig.

Die Darstellung der vom Bundesverfassungsgericht von 1990 bis 2011 für nichtig oder verfassungswidrig erklärten Bundesgesetze war natürlich unbefriedigend, weil die Werte nicht sinnvoll auf die Amtszeit der Regierungen zu beziehen waren. Untersucht man alle 321 Entscheidungen des BVerfG gegen Bundesgesetze zwischen 1949 und 2011 sieht das Ganze wie unten dargestellt aus.

Auffällig ist natürlich die schlechte Performance von Angela Merkel, der sicherlich zugutekommt, dass Karlsruhe ihre leider noch laufende Amtszeit noch nicht zur Gänze würdigen konnte. Ich bin mir aber sicher, dass sie sich da vor ihren Unionskollegen nicht blamieren will und noch aufholen wird. (Zum Vergrößern anklicken)

Auch hier gilt: Bei Entscheidungen, die mehrere Gesetze betreffen, wurde das jeweils aktuellste Gesetz gewertet. Entscheidungen zu Gesetzen ohne Datumsangabe sind der jeweils amtierenden Regierung zugerechnet. Vier Entscheidungen bezogen sich übrigens auf Gesetze, die vor 1949 erlassen wurden. (Datenhandbücher des Bundestages 1949-1999 und 1990-2010)

Das BVerfG hat von 1990 bis 2011 insgesamt 138 Mal Gesetze aus dem Verkehr gezogen. Mehr als die Hälfte davon entstanden unter Kohl.

Update: Auf Anregung von daMax habe ich das mal visualisiert. Für die Zuordnung zu den Regierungen wurde bei Entscheidungen, die mehrere Gesetze betreffen, das jeweils aktuellste Gesetz gewertet. Entscheidungen zu Gesetzen ohne Datumsangabe sind der jeweils amtierenden Regierung zugerechnet. (Zum Vergrößern anklicken)

Und ewig stört das Grundgesetz – zumindest unsere real existierende Regierung. Das neue Wahlrecht wurde vom BVerfG mit deutlichen Worten für verfassungswidrig erklärt:

Trotz einer großzügig bemessenen, dreijährigen Frist für den Wahlgesetzgeber, eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen, ist das Ergebnis – das ist übereinstimmende Auffassung im Senat – ernüchternd.