David Rovics versteht sich auf „Songs of Social Significance“ und hat auch ein Lied zum israelischen Massaker auf der Mavi Marmara geschrieben. Dieses und all seine anderen Stücke bietet Rovics übrigens auch zum kostenlosen Download an.
Schlagwort-Archive: Gaza
Wenigstens Erdogan redet Klartext, und wir verdanken Faruk G. die Übersetzung und dieses untertitelte Video der historischen Rede. Tausend Dank!
http://vimeo.com/12274294
Israel hat erneut sein Interesse bekundet, aus der internationalen Völkergemeinschaft ausgeschlossen zu werden. In den Morgenstunden kaperte die israelische Armee einen Hilfskonvoi für den Gaza-Streifen und tötete dabei mindestens 9 Menschen.
Der Erklärung von Gregor Gysi kann ich mich hier nur anschließen, auch wenn er er seine Forderungen wenige Stunden später wohl nicht mehr an den Bundespräsidenten gerichtet hätte:
Israel versucht seit geraumer Zeit den Gazastreifen, in dem es seine Besatzung aufgegeben hat, abzuriegeln. Dazu hat Israel kein Recht. Es gibt keine einzige völkerrechtliche Norm, auf die Israel eine solche Abriegelung stützen kann. Deshalb ist sie mehrfach und von einer Vielzahl von Staaten verurteilt worden.
Mehrere Schiffe waren unterwegs, um Hilfsgüter an die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen zu liefern. Die israelische Armee wollte dies rechtswidrig nicht zulassen und die Schiffe besetzen. Ohne im Einzelnen beurteilen zu können, was bei der Besetzung geschah, ist es niemals und durch nichts zu rechtfertigen und deshalb verbrecherisch, dass einseitig das Feuer eröffnet wird und friedliche Menschen getötet oder verletzt werden. […]
Ich erwarte vom Bundespräsidenten, vom Bundestagspräsidenten, von der Bundeskanzlerin und vom Bundesaußenminister, dass sie sich unverzüglich gegenüber der israelischen Regierung für das Ende der Gewalt gegenüber den Besatzungen der Schiffe, für die unverzügliche Freilassung sämtlicher friedlicher Besatzungsmitglieder, für die Bildung einer internationalen Untersuchungskommission zur Klärung der Vorgänge und für das Ende der rechtswidrigen Abriegelung des Gazastreifens einsetzen.
Und zu den offiziellen israelischen Erklärungen kommentiert Peter Münch treffend:
Es wird nicht reichen, sich damit zu rechtfertigen, dass die Soldaten beim Kapern der Schiffe von den Aktivisten angegriffen worden seien. Es klingt angesichts der Kräfteverhältnisse und der Opferzahlen sogar fast obszön, wenn der Armeesprecher angibt, die Soldaten hätten sich gegen Lynchattacken zur Wehr setzen müssen. Gewiss waren neben Galionsfiguren wie dem schwedischen Schriftsteller Henning Mankell oder den europäischen Abgeordneten auch Heißsporne auf den Hilfsschiffen. Doch eine professionelle Armee – die obendrein so viel auf sich hält wie die israelische – muss mit Widerstand von Zivilisten umgehen können, wenn sie sich auf eine solche Aktion einlässt. Nichts rechtfertigt dieses Schießen und Töten.
Das hat mich wirklich überrascht: Großbritannien hat ein paar Exportbewilligungen für Waffenlieferungen nach Israel zurückgenommen.
Die Rücknahme von Exportbewilligungen – insgesamt fünf von 182 – betrifft Waffen, die auf den Schnellbooten der mit Raketen bestückten Sa’ar-4.5-Klasse eingesetzt werden. Die israelische Zeitung „Haaretz“ berichtet mit Bezugnahme auf ein vertrauliches Memo der israelischen Botschaft in London, dass der Exportstopp auf Druck des britischen Parlaments und von Menschenrechtsorganisationen zustande kam, weil Sa’ar-4,5-Boote am Krieg in Gaza teilgenommen haben. „Es gibt kein teilweises Embargo gegen Israel“, heißt es zwar in einer Mitteilung der Botschaft. „Es bleibt britische Politik, alle Exportgenehmigungen für Israel an konsolidierten EU und nationalen Kriterien zur Erteilung von Exportlizenzen zu messen.“
Die Wahrheit geht in Kriegen bekanntermaßen als erstes unter – und auch die Medien können sie gerade heutzutage oft nur schwer an die Oberfläche holen. Um so mehr sind hier Ausgewogenheit und Sensibilität (insbesonders in Bezug auf die Wortwahl) gefragt – zwei Dinge, die die Nahost-Berichterstattung von SPIEGEL Online zuweilen vermissen lässt, etwa in dem Artikel
“Psychotricks demoralisieren den Gegner” vom 15. Januar, in dem es um Propagandastrategien von Israelis und der Hamas geht (siehe Screenshot).
Um dies nachvollziehen zu können, lohnt es, die Kriegshistorie der vergangenen Monate noch einmal kurz Revue passieren zu lassen:
Im Juni 2008 war zwischen Israelis und der Hamas eine Waffenruhe vereinbart worden, von der jedoch in erster Linie die israelischen Anwohner im Grenzgebiet profitierten. Dagegen hofften die Menschen im Gazastreifen vergeblich auf eine Öffnung der Grenzen oder, wie es der ARD-Korrespondent Clemens Verenkotte formulierte, “auf ein Ende des eingesperrten Daseins in einem Freiluft-Gefängnis”. Als Anfang November 2008 die israelische Armee – in der Nacht der amerikanischen Präsidentschaftswahlen – mit der Tötung von mehreren Hamas-Milizionären im Gazastreifen gegen die Waffenruhe verstieß, nahm die Hamas ihren Raketenbeschuss wieder auf. “Einen Monat lang ließ Israels Regierung dann nichts mehr in den Gazastreifen hinein – ohne dass die internationale Gemeinschaft gegen diese völkerrechtswidrige Kollektivbestrafung auch nur einmal die Stimme erhoben hätte”, so Verenkotte.
SPIEGEL Online gibt Falschmeldung der Israelis weiter
Auch SPIEGEL Online scheint sich nicht für diese “völkerrechtswidrige Kollektivbestrafung” durch die Israelis interessiert zu haben. Jedenfalls findet man auf SPIEGEL Online darüber nichts, wenn man für den Zeitraum November 2008 nach dem Begriff “Gaza” sucht. Lediglich erhält man als Suchtreffer eine kurze Meldung vom 5. November, in der SPIEGEL Online darüber berichtet, dass vier Palästinenser durch einen israelischen Luftangriff ums Leben gekommen seien, wobei nicht nur ziemlich einseitig die Position der israelischen Regierung dargelegt wird, die ihre “Militäraktion mit dem fortwährenden Beschuss militanter Palästinenser rechtfertigte” – auch ist die von SPIEGEL Online widergegebene Rechtfertigung offenbar eine Lüge.
So bestätigte Mark Regev, Sprecher für die israelische Regierung, in einem TV-Interview, dass während des Waffenstillstandes in den etwas mehr als vier Monaten davor keine Raketen der Hamas auf Israel abgefeuert worden waren und dass in dieser Zeit auch kein Israeli durch Raketen getötet worden war (siehe Screenshot). Die ganz wenigen Raketen, die noch kamen, waren nicht von der Hamas, sondern von Einzeltätern, wie Israel selber bestätigte. Erst als eine israelische Spezialeinheit in der Nacht vom 4. auf den 5. November 2008 nach Gaza eindrang und sechs Hamas-Kämpfer ermordete, begann die Hamas wieder mit Raketenabschüssen.
Am 26. Dezember rief Israel dann auf scheinheilige Weise einseitig eine 48-stündige Waffenruhe aus. Scheinheilig deshalb, weil offenbar von Anfang an klar war, dass man die Waffenruhe bereits nach 24 Stunden wieder zu brechen gedachte, um sogleich mit 60 Kampfjets Angriffe auf die Hamas zu fliegen – was dann auch geschah. Dass die Hamas davon “nichts ahnte”, ist in dem eingangs erwähnten SPIEGEL-Online-Beitrag “Psychotricks demoralisieren den Gegner” auch zu lesen. Kritikwürdig ist jedoch die darin vorgenommene semantische Einordnung der israelischen Vorgehensweise.
Denn diese Vorgehensweise kann ja durchaus – sachlich formuliert – als Bruch des Völkerrechts eingestuft werden, nicht zuletzt, weil unter den Opfern zahlreiche nicht direkt an den Auseinandersetzungen beteiligte Personen waren. So gab es allein am 27. Dezember auf palästinensischer Seite, wie etwa Le Monde diplomatique schreibt, “besonders viele Opfer: über 270 Tote und hunderte Verletzte. Die meisten waren Polizeischüler, die ihre Diplome entgegennehmen wollten – also nicht etwa gefährliche Terroristen.”
SPIEGEL Online beschönigt Bombardements der Israelis
Aus dem Artikel auf SPIEGEL Online geht dies aber nicht so hervor. Man muss in seiner Kritik vielleicht nicht gleich so harsch werden wie der Nemeticos Politblog, doch wenn der SPIEGEL-Online-Artikel im Zusammenhang mit den israelischen Bombardements von einem “Psychotrick” redet und von der “wohl gelungensten Desinformationskampagne”, so kann man dies sicher nur als Beschönigung bezeichnen. Bei der Hamas hingegen scheut SPIEGEL Online nicht davor zurück, so richtig abfällig zu werden und etwa Äußerungen der Hamas als “Großmäuligkeit” auszumalen – was durchaus gerechtfertigt sein mag, doch vermisst man hier Begriffe wie “großmäulig” oder “militant” oder “Terror” im Zusammenhang mit den Israelis.
Problematisch ist zudem, dass SPIEGEL Online, ohne dass wir Näheres über die Hintergründe des Konflikts erfahren, in seinem “Psychotricks”-Beitrag davon redet, dass zu der Zeit, als Israel die scheinheilige 48-stündige Waffenruhe ausrief, “ein Krieg zwischen Israel und der Hamas fast unvermeidlich schien”. Problematisch ist diese Darstellung deshalb, weil das Auslassen der Hintergründe in Verbindung mit den zuvor wertenden Formulierungen suggeriert, dass Israel der Krieg mehr oder minder aufgezwungen worden sei – was man aber in Anbetracht der skizzierten Aggressivität, mit der Israel zu Werke ging, sicher nicht so ohne Weiteres sagen kann.
Zumal man in diesem Zusammenhang auch noch anführen könnte, dass die israelische Luftwaffe bei ihren Bombardements Ende Dezember neuartige Raketen vom Typ GBU-39 verwendete – Raketen, die Israel bereits im September von den USA gekauft hatte, wie etwa die Jerusalem Post berichtete. Dies könnte zumindest ein Hinweis darauf sein, dass Israel seine Angriffe schon seit längerer Zeit geplant hatte…
Erstveröffentlichung: SPIEGELblog, 19. Januar 2009