Eigentlich wäre das ja heute ein Grund zur Freude: Das OVG Münster hat einen Provider von der Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung befreit, weil auch die neue wieder gegen EU-Recht verstößt. Eine Einzelentscheidung, und andere müssten erst noch klagen – aber immerhin!

Und dann – man könnte meinen aus Trotz – das: Der Bundestag hat den großflächigen Einsatz von Staatstrojanern beschlossen. Die dürfen jetzt überall da eingesetzt werden, wo bisher Telefone abgehört werden durften. Und da sind wir meines Wissens sogar schon Weltmeister.

Wahrlich eine „DDos-Attacke gegen das Bundesverfassungsgericht“, wie Netzpolitik in einem weiteren Artikel schreibt:

Die Liste der grundrechtsfeindlichen Gesetze dieser großen Koalition ist lang: Von der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung über die Erweiterung der Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes bis zur Ausweitung der Videoüberwachung hat diese Regierung wenig ausgelassen, was dieses Land weiter in den Überwachungsstaat treibt. Die Budgets der Geheimdienste erhöht und ihre Unkontrollierbarkeit versteckt ausgebaut. Den Diensten nebenbei vollautomatischen Zugriff auf die Passbilder aller Bürger gewährt und die massenhafte Handydurchsuchung für Flüchtlinge eingeführt. Mal von der Speicherung der Fluggastdaten aller Bürger ganz zu schweigen.

Könnte man im Herbst ja mal in die Wahlentscheidung einfließen lassen. *träum*

Um die „Ausbildung“ der Heilpraktiker steht es ja noch schlimmer, als ich gedacht habe.

Eine geregelte Ausbildung sieht das Heilpraktikergesetz nicht vor. Es stammt aus dem Jahr 1939 und wird heute in Form von Durchführungsordnungen der Bundesländer geregelt. Diese dienen – und hier wird es absurd – nicht etwa der Gesundheit der Patienten, sondern der Gefahrenabwehr. Eine einzige Prüfung am zuständigen Gesundheitsamt soll sicherstellen, dass ein Heilpraktiker die Bevölkerung nicht durch sein Handeln gefährdet.

Mitmachen darf, wer über 25 ist und einen Hauptschulabschluss hat. Und eine erfolgreiche Teilnahme berechtigt dann auch dazu, den Patienten nicht als Medikamente zugelassene Substanzen zu verabreichen.

Die Duma hat ein Gesetz verabschiedet, nach dem Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Russland keine Gültigkeit haben. Zumindest, wenn das Verfassungsgericht sie für verfassungswidrig erklärt.

Und falls Ihr Euch dabei auch fragt, wieso europäische Urteile für Russland überhaupt bindend sind: Der EGMR klingt zwar so, hat aber nur bedingt was mit der EU zu tun. Sondern vielmehr mit der Europäischen Menschenrechtskonvention – und die hat Russland auch unterzeichnet.

Eine Reportage von 1991 über die Arbeit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften erweist sich als echtes Comedy Gold – unbedingt bis zum Ende gucken! (Danke, Dirk)

Und natürlich bleibt die Zeit dort auch nicht stehen. Heute muss die „Bundeskopierstelle für jugendgefährdende Medien“ auf Anfrage indizierte Pornofilme kopieren, wenn diese seit mehr als zwei Jahren vergriffen sind. So wollen es das Informationsfreiheitsgesetz und ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln.

Die Darstellung der vom Bundesverfassungsgericht von 1990 bis 2011 für nichtig oder verfassungswidrig erklärten Bundesgesetze war natürlich unbefriedigend, weil die Werte nicht sinnvoll auf die Amtszeit der Regierungen zu beziehen waren. Untersucht man alle 321 Entscheidungen des BVerfG gegen Bundesgesetze zwischen 1949 und 2011 sieht das Ganze wie unten dargestellt aus.

Auffällig ist natürlich die schlechte Performance von Angela Merkel, der sicherlich zugutekommt, dass Karlsruhe ihre leider noch laufende Amtszeit noch nicht zur Gänze würdigen konnte. Ich bin mir aber sicher, dass sie sich da vor ihren Unionskollegen nicht blamieren will und noch aufholen wird. (Zum Vergrößern anklicken)

Auch hier gilt: Bei Entscheidungen, die mehrere Gesetze betreffen, wurde das jeweils aktuellste Gesetz gewertet. Entscheidungen zu Gesetzen ohne Datumsangabe sind der jeweils amtierenden Regierung zugerechnet. Vier Entscheidungen bezogen sich übrigens auf Gesetze, die vor 1949 erlassen wurden. (Datenhandbücher des Bundestages 1949-1999 und 1990-2010)

Das BVerfG hat von 1990 bis 2011 insgesamt 138 Mal Gesetze aus dem Verkehr gezogen. Mehr als die Hälfte davon entstanden unter Kohl.

Update: Auf Anregung von daMax habe ich das mal visualisiert. Für die Zuordnung zu den Regierungen wurde bei Entscheidungen, die mehrere Gesetze betreffen, das jeweils aktuellste Gesetz gewertet. Entscheidungen zu Gesetzen ohne Datumsangabe sind der jeweils amtierenden Regierung zugerechnet. (Zum Vergrößern anklicken)

Wieder was gelernt, wenn auch nicht aktuell. Von deutschen Gerichten wird auch nach ausländischen Gesetzen Recht gesprochen, vor allem im Familien- und Erbrecht:

Das Nebeneinander verschiedener Rechtsvorstellungen sei „Ausdruck der Globalisierung“, sagt der Erlanger Jurist und Islamwissenschaftler Mathias Rohe, „wir wenden islamisches Recht genauso an wie französisches.“ Doch während etwa Kanada für seine Einwanderer grundsätzlich keine ausländischen Rechtsregeln anerkennt, lässt das deutsche Recht solche Normen gelten – solange sie nicht der öffentlichen Ordnung und den Grundrechten zuwiderlaufen. Zwangsehen und Steinigungen sind deshalb verboten.