Nach einem Gutachten der Münchner Universität der Bundeswehr sind die mit TTIP geplanten Schiedsgerichte verfassungswidrig. Nicht überraschend, aber ich will mir bei der Gelegenheit gleich noch notieren, wessen Idee das eigentlich war:

analogo.de war im Festsaal des Mainzer Landtages zugegen, als [der US-Botschafter] Emerson spezifizierte, es sei Angela Merkel gewesen, die 2007 während ihrer EU-Ratspräsidentschaft die Initiative zu TTIP übernahm. Die deutsche Seite würde die geheimen Schiedsgerichte forcieren, da ausgerechnet Deutschland nach Ende des 2. Weltkrieges von lukrativen internationalen Aufträgen ausgeschlossen war.

Noch ein ausführlicherer Bericht zu Emersons Rede.

Die Anstalt war diese Woche mal wieder absolut genial. Zwei Zitate habe ich mir im Hotel auf die Schnelle notiert – die kontrolliere ich aber bestimmt noch mal wink

Nationalismus ist die Straßenhure unter den Gefühlen: billig, muss jeden ranlassen, und wenn man nicht aufpasst, fängt man sich was Schlimmeres ein.

Außerdem nach einer Reihe von sagen wir mal: weniger bekannten Zitaten aus der Bibel.

Warum orientieren wir uns nicht einfach an einem Buch, in das man die Menschlichkeit nicht erst mühsam reininterpretieren muss? „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ hat noch keiner geschrien, bevor er abgedrückt hat.

Beides von Uthoff, glaube ich.

Die Darstellung der vom Bundesverfassungsgericht von 1990 bis 2011 für nichtig oder verfassungswidrig erklärten Bundesgesetze war natürlich unbefriedigend, weil die Werte nicht sinnvoll auf die Amtszeit der Regierungen zu beziehen waren. Untersucht man alle 321 Entscheidungen des BVerfG gegen Bundesgesetze zwischen 1949 und 2011 sieht das Ganze wie unten dargestellt aus.

Auffällig ist natürlich die schlechte Performance von Angela Merkel, der sicherlich zugutekommt, dass Karlsruhe ihre leider noch laufende Amtszeit noch nicht zur Gänze würdigen konnte. Ich bin mir aber sicher, dass sie sich da vor ihren Unionskollegen nicht blamieren will und noch aufholen wird. (Zum Vergrößern anklicken)

Auch hier gilt: Bei Entscheidungen, die mehrere Gesetze betreffen, wurde das jeweils aktuellste Gesetz gewertet. Entscheidungen zu Gesetzen ohne Datumsangabe sind der jeweils amtierenden Regierung zugerechnet. Vier Entscheidungen bezogen sich übrigens auf Gesetze, die vor 1949 erlassen wurden. (Datenhandbücher des Bundestages 1949-1999 und 1990-2010)

Das BVerfG hat von 1990 bis 2011 insgesamt 138 Mal Gesetze aus dem Verkehr gezogen. Mehr als die Hälfte davon entstanden unter Kohl.

Update: Auf Anregung von daMax habe ich das mal visualisiert. Für die Zuordnung zu den Regierungen wurde bei Entscheidungen, die mehrere Gesetze betreffen, das jeweils aktuellste Gesetz gewertet. Entscheidungen zu Gesetzen ohne Datumsangabe sind der jeweils amtierenden Regierung zugerechnet. (Zum Vergrößern anklicken)

Und ewig stört das Grundgesetz – zumindest unsere real existierende Regierung. Das neue Wahlrecht wurde vom BVerfG mit deutlichen Worten für verfassungswidrig erklärt:

Trotz einer großzügig bemessenen, dreijährigen Frist für den Wahlgesetzgeber, eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen, ist das Ergebnis – das ist übereinstimmende Auffassung im Senat – ernüchternd.

Rudolf Augstein hat eine schöne Lobrede auf das Grundgesetz verfasst:

Welche Aufgabe erfüllt heute der Verfassungsschutz? Er schützt keineswegs die Verfassung. Er schützt die (vor)herrschenden Verhältnisse. Und die haben mit dem Geist der Verfassung immer weniger zu tun: Eigentum verpflichtet in Deutschland zu gar nichts, das letzte Mal wurden Produktionsmittel verstaatlicht, als Twix noch Raider hieß, und der Sinn der Erbschaftsteuer besteht hierzulande vor allem darin, die Ansammlung von Riesenvermögen möglichst nicht zu stören. Das Grundgesetz ist in Wahrheit viel linker, als es der Bundesinnenminister gerne zugeben würde.

Als Nicht-Jurist steht man dem Gesetz ja manchmal etwas rat- und verständnislos gegenüber. Und ich muss zugeben, als die heutige Kanzlerin Merkel schon vor 6 Jahren erklärte, dass wir „keinen Rechtsanspruch auf Demokratie auf alle Ewigkeit“ haben, habe ich ihr nicht so recht geglaubt. Als Physikerin traute ich ihr in Rechtsfragen keine besondere Kompetenz zu und mit dem Grundgesetz hatte sie ja auch noch nicht so lange Erfahrung. Nun muss ich aber erkennen, dass Angela Merkel wohl doch recht hatte, denn auch Juristen bestätigen ihre Einschätzung:

Der Prozessbevollmächtigte des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Franz Mayer von der Universität Bielefeld, unterstrich einleitend, dass schon erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden bestünden, sie jedenfalls aber unbegründet seien. Die Beschwerdeführer würden sich auf ein neuartiges Recht berufen, das bisher gar nicht existiere, nämlich ein umfassendes Grundrecht auf Demokratie. Für die Anerkennung eines solchen Grundrechts und eine damit verbundene Ausweitung der Möglichkeiten zur Verfassungsbeschwerde gebe es aber keinen Anlass.

Gut, dass er dieses ewige Missverständnis mal ausgeräumt hat. Ich hatte Artikel 20 Absatz 1 GG und Artikel 79 Absatz 3 GG bisher immer völlig falsch verstanden.

(via)

Unter diesem Titel kommentiert Hans-Jürgen Maurus auf tagesschau.de das Geschachere um das Amt des Bundespräsidenten und wartet mit einem schönen Vorschlag auf:

Wieso erdreisten sich die Regierungsspitzen – gewissermaßen im parteipolitischen und parteitaktischen Alleingang – den ersten Mann des Staates, das Staatsoberhaupt, in einer Undercover-Operation auszumauscheln? Das ganze ohne Transparenz. Dabei hat jedes Mitglied der Bundesversammlung das Recht, einen eigenen Kandidaten schriftlich vorzuschlagen. Wäre doch schön und vielleicht richtig spannend, wenn wenigstens ein dutzend der über tausend Mitglieder den Mumm hätten, von ihrem demokratischen Recht Gebrauch zu machen, anstatt nur abzunicken, was man ihnen vorsetzt. Soviel Demokratie darf schon sein, oder?